Warum sollten wir mehr Sprachen lernen?

Wer mich kennt, weiß: Ich will am liebsten jede Sprache lernen! Dass ist nicht die Zeit dafür habe, bedaure ich sehr. Und genau deshalb nutze ich jede Gelegenheit aus, um in den Sprachen zu kommunizieren, die ich bereits (ein bisschen ) kann.

Auch in diesem Semester ist das Sprachlernangebot meiner Uni wieder riesig und steht allen Studierenden kostenfrei zur Verfügung. Wenn es in den Stundenplan passt, belege ich immer einen Sprachkurs, entweder zur Vertiefung einer Sprache oder ich wage mich an eine neue. In diesem Semester belege ich einen Finnisch-Kurs, eine Sprache mit der ich noch nie etwas zu tun hatte!

Aber warum tue ich mir ständig den Aufwand an, fange immer wieder von Null an? Sprachen zu lernen macht nicht nur Spaß, zumindest mir, sondern hat auch andere Vorteile.

Mehrsprachigkeit bietet zuerst einmal wirtschaftliche Vorteile. Ein polyglotter Mensch erweitert seinen Arbeitsradius und kann weltweit arbeiten. Dabei fällt es leichter Kontakte zu knüpfen und sich in den Ländern zurecht zu finden. Diese Kontakte entstehen aber nicht erst im den Zielländern, sondern schon beim Lernen. So kann ein Netz aus Kontakten und Freundschaften rund um den Globus entstehen. Und wir wissen alle wie wichtig Vitamin B ist!

Mit jeder neuen Sprache tauchen wir in eine neue Welt ein. Ja, das klingt etwas abgedroschen, ist aber wahr. Für mich bedeutet es nicht nur eine neue Kultur, Bräuche etc., sondern ein neues Lautsystem, neue Grammatik und eventuell eine neue Schrift. Als Linguistin ist das wie Geburtstag!

Das Lernen hält uns fit, denn wie oft langweilt uns die Arbeit, die mit den Jahren eintönig wird. Eine Sprache bietet die Gelegenheit aus starren Denkmustern herauszukommen und motiviert uns über den Tellerrand zu schauen. Studien zeigen, dass Sprachenlernen das Risiko senkt an Alzheimer oder anderen kognitiven Einschränkungen zu erkranken.

Mit jeder Sprache, die wir lernen, verbessern sich auch unsere Lernstrategien. Wir lernen unterschiedliche Herangehensweisen kennen, zu lernen, je nach Lehrkraft. Abhängig von der jeweiligen Sprache können wir auf Verbindungen zu anderen Sprachen ziehen, die das Lernen erleichtern. Im Fall des Finnischen kann ich z.B. Parallelen bei der Syntax und der Wortbildung ziehen, weil ich ein wenig Ungarisch gelernt habe und beide Sprachen verwandt sind. Beim Wortschatz hilft es leider nicht.

Wenn wir uns an die Anfänge beim Sprachenlernen erinnern, fällt uns die Unsicherheit beim Sprechen ein, die Angst vor Fehlern, der Akzent usw. Mit jeder neuen Sprache erwerben wir mehr Selbstbewusstsein, weil wir wissen, dass diese Unsicherheiten völlig normal und  vorrübergehend sind. Angst vor Fehlern braucht mal als Anfänger*in nicht haben, denn wir lernen durch Fehler! Unser Verständnis für andere und die positive Haltung gegenüber Unbekanntem wird dadurch ebenfalls geschult. Wir sind offener und toleranter je mehr Sprachen wir lernen.

Das Wichtigste beim Sprachenlernen ist definitiv die Motivation. Überleg dir also warum du genau diese Sprache lernen möchtest! Sprachenlernen ist für die meisten ein Marathon, kein Sprint. Also bleib dran!

Welche Vorteile fürs Sprachenlernen fallen dir noch ein?

Annette von Droste-Hülshoff

Von der verpflichtenden Schullektüre im Abitur ist mir besonders die Novelle ‚Die Judenbuche‘ in Erinnerung geblieben, weil sie mir ausgesprochen gut gefiel und dann auch noch das Thema der Abiturprüfung war. Es stellte außerdem eine Ausnahme dar, weil es das einzige Werk auf der Leseliste war, das eine Frau verfasst hat: Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848).

Die Familie von Droste-Hülshoff gehörte zum Adel und Annette wuchs mit ihren Geschwistern recht behütet auf. Sie genoss eine, für die damalige Zeit, gute Ausbildung und war hervorragend in Musik und Literatur ausgebildet und sprach mehrere Sprachen. Ihr großes Interesse galt der Naturwissenschaft, wobei es ihr die Geologie besonders angetan hatte.

Zeitlebens war Droste-Hülshoff von schwacher Konstitution, sie hatte Probleme mit den Augen und litt an regelmäßigen Migräneattacken. Schon als Kind verbrachte sich viel Zeit im Haus, nur wenn Ausflüge in die Natur anstanden, z.B. um Steine zu sammeln, gab es kein Halten für das Mädchen.

Bereits in jungen Jahren trat ihr literarisches Talent zu Tage und wurde von den Eltern gefördert. Freunde der Familie bestärkten das Mädchen, sodass sie sogar an einigen Werke anderer Schriftsteller mitwirken durfte. Es entstanden zahlreiche Gedichte und Geschichten in Droste-Hülshoffs Jugendjahren, die in den oft von ihr besuchten Literaturzirkeln gerne gehört wurden.

Die Gesundheit der jungen Frau machte lange Reisen unmöglich und so waren diese eine Ausnahme in Droste-Hülshoffs Leben. Gelegentliche Reisen, u.a. nach Köln und in die Schweizer Berge, inspirierten sie zum Schreiben und boten Gelegenheit sich mit anderen Intellektuellen auszutauschen.

Annette Droste-Hülshoff blieb unverheiratete und lebte bescheiden, da sie nur eine kleine Apanage von ihrem Bruder bekam. Sie konnte dennoch ihrer Sammelleidenschaft von Steinen, Fossilien und Münzen nachgehen, neben dem Schreiben ihre großen Leidenschaften.

Im Laufe ihres Leben schrieb Droste Hülshoff unzählige Gedichte, die noch zu Lebzeiten veröffentlicht wurden, aber damals keine breite Leserschaft fanden. Ihr bekanntestes Werk, Die Judenbuche‘ ist heute in viele Sprachen übersetzt und auch verfilmt worden. Ob diese Novelle oder ihre Balladen, sie bleibt ihrem Stil treu. Es gibt bei ihr wenig Platz für gesellschaftliche und religiöse Zwänge, schließlich war sie eine unverheiratete Frau, eine der wenigen ihrer Zeit.

Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit war Droste-Hülshoff auch als Komponistin aktiv. Ihre Eltern ließen ihre Tochter am Klavier und an der Orgel ausbilden, sie spielte oft auf Konzerten und sang sehr gut. Daraus ergaben sich in späteren Jahren Kompositionen, die meisten davon sind aber erst nach dem Tod der Komponistin öffentlich geworden.

Ihr Tod im Jahr 1848 beendete das Schaffen einer Frau, deren Können sich schon früh zeigte, seine volle Wirkung aber erst nach ihrem Tod entfalten konnte.

Quellen

Arnold, Heinz Ludwig (Hrsg.). Kindlers Literatur Lexikon. Metzler, Stuttgart 2009

Kaiser, Maria Regina Kaiser. Annette von Droste-Hülshoff. Dichterin zwischen den Feuern. Romanbiografie. Südverlag, Konstanz 2021

Babička – Die Großmutter

Als Klassiker der tschechischen Literatur, geschrieben von Božena Němcová, gilt Babička – Die Großmutter aus dem Jahr 1855. Wer sich mit europäischer Literatur beschäftigt, kommt an Babička nicht vorbei.

Die Handlung erscheint zunächst einfach: Die Großmutter fährt zu ihrer Tochter, die auf einem großen Gutshof in Böhmen arbeitet. Sie soll sich auf Bitten der Tochter um die Kinder kümmern und dort ihren Lebensabend verbringen. Das Leben auf dem Land, die Arbeit auf dem Hof , die Geschichten der Großmutter und die Sorgen der Menschen sind die Themen der Geschichte.

Die Großmutter gilt als sehr weise und wird häufig um Rat gefragt. Sie erzeiht die Enkelkinder, begleitet sie durch die Kindheits- und Jugendjahre und kümmert sich um den Haushalt. Als Gegensatz tritt Viktoria auf, die einsam im Wald lebt. Oft durch die Kinder verspottet, erfährt man im Laufe der Geschichte Details ihres Lebens.

Eine wichtige Aufgabe der Großmutter ist die Erziehung der Kinder. Sie bringt ihnen Empathie, Respekt und Verantwortung bei, ohne wie eine Gouvernante zu wirken. Auch gegenüber Viktoria zeigt sie eine liebevolle Art, versteht die Situation und hilft, wo sie kann.

In jedem Kapitel erfährt man etwas über das Gut, die Natur und die Menschen dort. Es werden traditionelle Feste gefeiert, Ausflüge unternommen uvm. Das einfache Leben steht, wie heute, im Kontrast zum Leben der Reichen. Auch das wird bei Unternehmungen und Gesprächen immer wieder deutlich. Doch die Großmutter schätzt das einfache Leben.

Glaube und Aberglaube sind tief in den Menschen verwurzelt und spielen überall eine große Rolle, ebenso wie der Wechsel der Jahreszeiten, die ständig im Fokus des Landlebens stehen.

Božena Němcová schuf mit ihrem Roman ein zeitloses Werk, dessen Gesellschaftstrukturen heute vielleicht veraltet wirken. Doch das Leben mit und in der Natur, die Pflege von Bräuchen und Traditionen sind immer noch Ideale, nach denen Menschen leben. Nicht alles was neu ist, muss gut sein und genauso ist es manchmal nötig etwas Altes loszulassen.

Viele Orte und Personen im Roman sind echten nachempfunden und im Leben der Autorin wiederzufinden. Auch wenn es keine Biografie ist, ähnelt es Němcovás Leben sehr.

Der Roman ist in mehr als 40 Sprachen übersetzt und gehört in Tschechien zur Pflichtlektüre in der Schule. In Deutschland ist Babička ein gern gelesenes Buch, was mehrfach übersetzt erschienen ist.

Quelle

Großmutter. Bilder aus dem ländlichen Leben. dtv 13453, München 2006

Schreibschrift ist out?

Unsere Erinnerungen an die erste Klasse sind unterschiedlich ausgeprägt. Doch sicherlich werden sich viele an das Kratzen des Füllers erinnern, das bei den ersten Schreibversuchen entstand. Unsere Hand musste sich ja erst an die komplizierte Aufgabe des Schreibens gewöhnen und wenig später flog der Füller sanft übers Papier.

In der ersten Klasse habe ich viel Mühe gehabt Schreibschrift zu lernen, ich war ungeduldig und schnell frustriert. Aber die Schreibschrift stand nun mal auf dem Lehrplan und unsere Lehrerin war sehr motiviert. Und was vor mir Generationen von Kindern geschafft haben, schaffte ich letztendlich auch!

Schreiben können ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Wir lernen es in der Schule, brauchen es jeden Tag und verlernen es (meist) nie wieder. Doch mit der Zeit ändern sich die Schreibwerkzeuge, von der Feder, Füller, Kuli bis zum digitalen Stift. Heute schreiben viele Menschen eher über eine Tastatur auf dem Handy oder Computer. Da könnten sich die Schulkinder fragen, wozu sie eigentlich mit der Hand schreiben lernen müssen und dann auch noch Schreibschrift.

Bei der Frage ob die Schreibschrift heute noch relevant ist, scheiden sich die Geister. In Schreibschrift schreiben zu können, bedeutet ja nicht nur schreiben an sich. Es geht auch um Koordination und Schreibgeschwindigkeit, die in späteren Klassenstufen wichtig ist, um alle relevanten Informationen mitschreiben zu können. Das Schreiben wird mit der Zeit automatisiert, um während des Schreibens z.B. über die Rechtschreibung nachdenken zu können.

Dabei gibt es verschiedene Schreibschriften, die sich alle paar Jahre auch mal ein wenig verändern. Klassischerweise lernen Schulkinder heute entweder die Schulausgangsschrift oder die Vereinfachte Ausgangsschrift, die sich recht ähnlich sehen. Jedoch lernen sie die Schreibschrift meist erst nach dem Druckschrifterwerb. Der große Unterschied liegt dabei bei den Verbindungselementen zwischen den Buchstaben, die eine Schreibschrift aufweist, eine Druckschrift nicht. Allgemein wird dafür plädiert die Druckschrift als Wegbereiter der Schreibschrift vorher einzuführen. Ob das sinnvoll ist, darüber gibt es nicht wenige Meinungen und auch kontroverse Studien.

Kaum ein Erwachsener schreibt im Alltag wirklich noch Schreibschrift. Wenn man schreiben lernt, entwickelt sich eine sehr individuelle Handschrift, meist eine Mischung aus Druck- und Schreibschrift.

Wenn wir schreiben, nutzen wir viele unterschiedliche Kompetenzen wie die motorische Kontrolle über unsere Hand- und Fingermuskulatur, Hand-Augen-Koordination, Wissen über die Sprache und die Schrift. Was uns als Erwachsene leicht und automatisiert erscheint, ist ein komplexer Vorgang. Das fällt uns aber meist erst auf, wenn wir eine neue Schrift erlernen, z.B. im Fremdsprachenunterricht. Hier müssen wir uns visuell und motorisch an neue Schriftzeichen gewöhnen und erinnern uns vielleicht an die ersten Schuljahre zurück.

Schreibst du viel mit der Hand? In Schreib- oder Druckschrift?

Quellen

Dürscheid, Christa Dürscheid. Einführung in die Schriftlinguistik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006

Bräuer, Gerd. Schreibend lernen. Grundlagen einer theoretischen und praktischen Sprachpädagogik. Studienverlag, Innsbruck 1998.

Sprachen in der Schweiz

Wenn wir an die Schweiz denken, kommen uns Schlagwörter wie Neutralität, Uhren, Käse oder direkte Demokratie in den Sinn. Aber abgesehen davon existiert in der Schweiz die in Europa einmalige Situation, dass gleich vier Sprachen als Landessprachen festgelegt sind: Deutsch, Französisch, Italienisch und Bündnerromanisch.

Diese gesetzliche Mehrsprachigkeit ist unter anderem geografisch erklärbar und unterstreicht den Zusammenhalt der Schweizer. Sie haben sich über Jahrhunderte ihre Unabhängigkeit und starke politische Stellung innerhalb Europas erkämpft. Schon von Anfang an war die Schweiz an guten Handelsbeziehungen zu ihren Nachbar interessiert, eine Kommunikationsbasis waren die Sprachen der Partner und diese Mehrsprachigkeit hält sich noch immer.

Jedoch ist die aktuelle Situation so, nicht alle Menschen in der Schweiz alle vier Sprachen sprechen. In Umfragen geben die Menschen meist an zwei Landessprachen zu sprechen, dazu kommt oft Englisch.

Die Verteilung der Landessprachen entspricht in etwa der Geografie zum jeweils gleichsprachigen Nachbarland: Französisch im Westen, Italienisch im Süden, Deutsch in Norden und dem Landesinneren. Das zahlenmäßig kleine Bündnerromanisch wird im Osten und nördlich des italienischen Sprachgebiets gesprochen.

Die drei ‚großen‘ Sprachen sind seit 1848, Bündnerromanisch seit 1938 gesetzlich als Landessprachen verankert. Die Gesetzgebung billigt den Kantonen aber die Entscheidung über die jeweilige Sprache zu, sodass sich die Menschen an ihren Wohnort nicht grundsätzlich auf alle vier Sprachen berufen können.

Es lässt sich mit Recht behaupten, dass Deutsch (meist alemannische Dialekte) nach Zahlen die dominanteste Sprache ist. Französisch vergrößert aber seit einiger Zeit seine Sprachgebiet, während Italienisch konstant bleibt und Bündnerromanisch immer mehr abnimmt.

In der Schweiz leben heute knapp 10 Millionen Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen. Die Bevölkerungszahl ist in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen, aufgrund von Arbeitsmigration oder Gewährung von Schutzsuchenden. Damit stieg auch der Anteil der Menschen, die keine der vier Landessprachen als Erstsprache sprechen.

Neben den Landessprachen sind vor allem Englisch, Portugiesisch, Albanisch und Spanisch Sprachen mit markanter Sprecher*innenzahl, die bspw. in Deutschland weniger groß sind. Das ist eine Entwicklung der letzten Jahrzehnte und wird mit der Entwicklung der Arbeitsmigration in der Schweiz immer diverser.

Daneben gibt es noch ‚alteingesessene‘ Sprache, die keinen Landessprachenstatus besitzt, von der Schweiz aber durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen anerkannt ist: Jenisch.

Die Deutschschweizer Gebärdensprache (DSGS) ist noch nicht offiziell anerkannt, was von den Gehörlosenverbänden stark kritisiert wird. Die fehlende Anerkennung wirkt sich nicht nur auf die Schulbildung, sondern auch auf fehlende Dolmetscher aus.

Mittlerweile bieten einige Schulen auch herkunftssprachlichen Unterricht an, wobei der Fokus primär auf dem Erwerb von mindestens zwei Landessprachen und Englisch liegt. Es gibt aber viele Organisationen, die außerschulischen Unterricht für die verschiedensten Sprachen anbieten.

Am Beispiel der Schweiz lässt sich gut erkennen, dass ein System mit mehreren Sprachen gut funktioniert und die Gesellschaft bereichert.

Quellen

Bickel, Hans & Schläpfer, Robert (Hrsg.): Die viersprachige Schweiz. Sauerländer, Aarau 2000

Bundesamt für Statistik: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bevoelkerung/sprachen-religionen/sprachen.html

Tiere in der Mythologie

Keine Mythologie ohne Tiere, soviel steht fest! Wer sich für Mythen und Legenden interessiert, begegnet neben Göttern und anderen menschenähnlichen Wesen immer auch Tieren.

Tiere gehörten schon immer zum Leben der Menschen, denn ein Leben ohne sie war unmöglich. Sie boten Nahrung, Kleidung, Baumaterial usw. Sie repräsentieren Eigenschaften wie Kraft oder Klugheit und symbolisieren oftmals die Ahnen. In den verschiedensten Schöpfungsgeschichten treten Tiere auf, sie halten die Welt im Gleichgewicht oder fungieren als Boten des Göttlichen.

Wir finden oft die gleichen Tiere in unterschiedlichen Kulturkreisen, weil sie dort natürlicherweise leben. Und meist sind die Zuschreibungen ähnlich, z.B. werden Bären fast immer mit Stärke und Weisheit assoziiert, Nagetiere mit Fruchtbarkeit usw. Diese positiven Eigenschaften wandeln sich nach der Verbreitung der großen Religionen vielfach ins Negative, um die Menschen von dem „heidnischen“ Aberglauben abzubringen.

Ein Kulturkreis, der viele Tiere miteinschließt, findet sich in Nordeuropa. In der nordischen Mythologie sind viele Pferde bekannt, aber auch Ziegen, Schlangen und verschiedene Vögel. Fast jede Gottheit hat tierische Begleiter: Thor lässt seinen Wagen von zwei Ziegenböcken ziehen, Odin hat die zwei Raben Hugin und Munin und die Göttin Frigg lässt ihren Wagen von weißen Katzen ziehen. An  und auf der Weltenesche Yggdrasil leben zahlreiche Tiere z.B. das Eichhörnchen Ratatöskr und die Hirsche Dain, Dwalin, Dunneir und Durathror.

Säugetiere scheinen in der Mythologie oft mit positiven menschlichen Eigenschaften wie Klugheit, Stärke oder Mut assoziiert zu werden, was sich bis heute in der Beziehung zu unseren Nutz- und Haustieren zeigt. Anders sieht es da bei Tieren wie Fröschen oder Schlangen aus. Sie werden in vielen Kulturkreisen als negativ wahrgenommen. Ihre Fähigkeiten z.B. an Land und im Wasser leben können oder sich zu häuten, sind Merkmale des Bösen. In Asien dagegen werden Attribute wie Glück oder Wiedergeburt mit vielen Reptilien und Amphibien verbunden.

Auch Fische und andere Wasserbewohner kommen in fast allen Kulturen vor. Wasser gilt generell als lebendspendend, oft auch die darin lebenden Tiere. Diese positiven Zuschreibungen wie Weisheit oder Fruchtbarkeit haben sich auch viele Religionen zu eigen gemacht und erleichtern den Menschen damit den Übergang.

Wie sehr Tiere das Leben der Menschen beeinflussen, kann man an den Grabbeigaben erkennen. Der oder die Tote bekommen Nutztiere wie Pferde oder auch Schmuck in Form von Tieren mit ins Grab. In vielen Kulturen braucht die Person sie für das Leben nach dem Tod.

Auch in unserer Sprache lässt sich der Bezug zu Tieren erkennen. Stark wie ein Bär zu sein oder schlau wie ein Fuchs, das sind seit vielen Jahrhunderten überlieferte Ansichten, die heute kaum hinterfragt und von allen genutzt werden.

Quellen

Cotterell, Arthur. Die Enzyklopädie der Mythologie: Klassisch, keltisch, nordisch. Reichelsheim 2004

Grimal, Pierre. Mythen der Völker III. Fischer Bücherei. Hamburg 1963

Finnisch – die kleine Schwester des Schwedischen?

Viele Finnen sprechen Schwedisch und umgekehrt. Da kommt schnell die Vermutung auf, dass beide Sprachen miteinander verwandt sein müssen, oder?! Tja, das ist leider falsch. Finnisch gehört zur Familie der finno-ugrischen Sprachen, ist also verwandt mit Estnisch und Ungarisch, wenn auch entfernt. Die geografische Nähe zu Schweden spielt hier keine Rolle.

Finnisch (Eigenbezeichnung suomi) ist eine der zwei Amtssprache in Finnlands, neben Schwedisch, und wird außerdem noch in Teilen Norwegens, Schwedens und Russland gesprochen und ist eine der EU-Amtssprachen. Insgesamt geht man von etwa 5 Millionen Sprecher*innen weltweit aus. Damit ist Finnisch eine eher kleine Sprache.

Der Ursprung kann nicht eindeutig belegt werden. Wahrscheinlich fand die Abspaltung des Finnischen von den anderen verwandten Sprachen etwa vor 3000 Jahren statt. Der intensive Sprachkontakt mit germanischen und baltischen Sprachen zeigt sich im Wortschatz des Finnischen, sonst sind die Ähnlichkeiten sehr gering. Da die finnische Sprache nicht mit indoeuropäischen Sprachen wie Deutsch, Tschechisch oder Spanisch verwandt ist, ist das Erlernen der Sprache ein lernintensives Projekt. Grammatik, Wortschatz und Klang sind ungewohnt und erfordern viel Fleiß.

Die Anzahl der Dialekte ist überschaubar, aber Angesicht der Sprecher*innenzahl doch zahlreich. Es wird zwischen den West – und Ostdialekten unterschieden. Die meisten Dialekte sind untereinander verständlich. Je nach Region erkennt man die Einflüsse von Kontaktsprachen in den jeweiligen Dialekten.

Finnisch wird in lateinischer Schrift geschrieben und besitzt eine phonetische Schreibung, d.h. ein Buchstabe repräsentiert einen Laut. Nur vereinzelt werden spezielle Ausspracheregeln wie z.B. die Auslautverdopplung nicht verschriftlicht. Buchstaben wie <c, q, w, x, z> kommen nur in Fremdwörtern vor.

Die ältesten Quellen einer finnischen Standardsprache stammen aus der Zeit der Reformation. Eine wichtige Rolle spielt dabei Mikael Agricola, ein Bischof aus dem 16. Jahrhundert, der viele Texte ins Finnische übersetzt hat unter anderem das Neue Testament.

Das Konsonanten- und Vokalinventar des Finnischen ist überschaubar und es gibt nur wenige Laute, die für Deutschen schwierig sind, z.B. werden die Konsonanten kaum behaucht. Aber Finnisch besitzt wesentlich mehr Diphthonge (so etwas wie <au>) als das Deutsche, je nach Zählweise bis zu 18! Ein interessantes Detail ist auch die vorherrschende Vokalharmonie, bei der nur bestimmte Vokale zusammen auftreten können. Das findet man auch im Ungarischen und in vielen Turksprachen.

Finnisch ist eine agglutinierende Sprachen, d. h. die grammatischen Merkmale werden nacheinander gereiht und ergeben lange Wortketten. Es gibt 14 Kasus, davon acht Lokalkasus! Es werden keine Genera (maskulin, feminin, neutrum) unterschieden und auch die Artikelnutzung existiert nicht. Innerhalb der Deklination von Substantiven und Adjektiven gibt es viele Lautwechsel.

Die normale Wortfolge ist SVO, aber je nach Kontext kann sie auch frei sein, wobei dann die Satztypen entscheidend sind.

Die Finnen haben einen reichen Sagen- und Mythenschatz, der eng mit der Sprache verbunden ist. Das Nationalepos, das Kalevala, zeugt von dieser Verbundenheit. Mittlerweile sind viele der ehemals mündlich überlieferten Geschichten und Lieder aufgeschrieben worden. Die modern finnische Literatur erfreut sich auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit.

Quellen

Molan, Harald. Grammatikübungsbuch Finnisch. Buske, Hamburg 2014

Schellbach-Kopra, Ingrid. Finnisch. Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Saterland – kleinste Sprachinsel in Europa

Die Friesen kennt man in Deutschland. Sie leben an der Nordseeküste und sprechen Friesisch. Doch nur wenige wissen, dass es eine kleine Gruppe von Friesen gibt, die nicht direkt an der Küste oder auf einer der friesischen Inseln leben, sondern etwa 100km landeinwärts im Saterland.

Das Saterland (saterfriesisch Seelterlound) ist eine kleine Region im Landkreis Cloppenburg, die eine Sprachinsel bildet. Die erste Besiedlung fand um das Jahr 1100 stand, wobei neue Forschung von einem früheren Zeitpunkt ausgeht. Die Menschen zogen von der Küste ins Landesinnere, weil die Lebensbedingungen dort besser erschienen. Die Gegend war aber von Mooren durchzogen und unwegsam. Das erleichterte nicht unbedingt das tägliche Leben, bot aber einen gewissen Schutz.

Die Menschen im Saterland und in den anderen friesischen Gebieten lebten vergleichsweise autonom, ein Recht von Karl dem Großen garantierte ihnen diese Autonomie weit bis zum Ende des Mittelalters. Diese Rechte, genannt ‚Friesische Freiheit‘, bedeutete, dass die Friesen nur dem Kaiser unterstanden. Das erklärt auch die gesellschaftlichen Entwicklungen dieses Volkes, das nicht in einem Feudalsystem lebte wie die meisten anderen. Die Friesen durften z.B. frei jagen, ihre Berufe selbst wählen und waren von den meisten Abgaben befreit, obwohl ihr Gebiet formal-rechtlich einem weltlichen Herrscher unterstand.

Die nach der Christianisierung erfolgte Besiedlung ging auch mit einer Zugehörigkeit zum Bischofssitz in Münster einher, was die Saterfriesen aber kaum in ihrer politischen Eigenständigkeit einschränkte. Diese Privilegien sind heute nicht mehr gültig, das Saterland machte mehrere Gebietsreformen durch und ist heute weitgehend erschlossen und nicht mehr isoliert wie früher.

Im Saterland hat sich die ostfriesische Sprache erhalten, auch wenn die Zahl der Sprecher*innen in den letzten Jahrzehnten bedrohlich abgenommen hat. Die schwer zugängliche Region bot ideale Bedingungen zur Bewahrung der Sprache. Die vor der Besiedlung der Friesen dort ansässige niederdeutschsprachige Bevölkerung wurde schnell sprachlich assimiliert. Heute gehört das Saterfriesische zu den am stärksten bedrohten Sprachen in Europa.

Aus dem späten Mittelalter ist noch eine Kirche des Johanniterordens erhalten, außerdem viele Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Als eine der wenigen Friesen sind die meisten Saterfriesen katholisch. Die Region ist für Sportbegeisterte ein Paradis, vor allem für Wassersport.

Das Wappen des Saterlandes zeigt einen goldenen Thronsessel auf rotem Grund mit Karl dem Großen, der Zepter und Reichapfel trägt. Neben ihm lehnt der Reichsadler auf einem Schild.

Quellen

https://www.saterland.de

Muske, Horst (Hrsg). Handbuch des Friesischen. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2001

Wo spricht man „gutes Deutsch“?

Seit ich als DaF-Lehrerin (Deutsch als Fremdsprache) Deutschkurse gebe, werde ich oft gefragt: Wo spricht man das beste Deutsch? Das erste Mal habe ich ganz automatisiert geantwortet: Natürlich in Hannover! Und bin damit dem allgemeinen Hochdeutschmythos voll auf dem Leim gegangen, denn reines Hochdeutsch gibt es in der gesprochenen Sprache nicht!

Doch was bedeutet „gutes Deutsch“? Diese Frage spaltet die Menschen. Während viele davon ausgehen, dass nur grammatisch korrektes, dialekt- und akzentfreies Deutsch akzeptabel wäre, gibt es die andere Gruppe, die das von einen ganz anderen Standpunkt aus betrachtet. Sprache, egal welche, dient der Kommunikation und ist im stetigen Wandel. Von überall ist eine Sprache Einflüssen ausgesetzt, entweder von anderen Sprachen oder den eigenen Dialekten. Jemanden mit einer „reinen“ Standardsprache zu finden, wird also eher schwierig, selbst in Hannover!

Die Nutzung einer Sprache hängt von vielen Faktoren ab, z.B. dem Alter, dem Wohnort, Freundeskreis, Hobbys usw. All diese Faktoren beeinflussen die Sprachnutzung eines Individuums und sorgen für Veränderung. Das kann die Aussprache, das Sprechtempo, den Wortschatz betreffen. Außerdem beherrschen Menschen oft unterschiedliche Register, d.h. sie sprechen je nach Situation anders. Das kann man auch bei sich selbst beobachten: Innerhalb der Familie spricht man anders als auf der Arbeit oder auf dem Amt. Wir alle passen uns an.

Hochdeutsch im allgemeinen Verständnis findet man eigentlich nur in den Medien, z.B. in Nachrichtensendungen, oder bei professionell ausgebildeten Sprecher*innen, deren Auftraggeber die Standardaussprache verlangen, z.B. für Hörbücher, Dokumentationsreihen etc. Wer diese Standardvarietät gerne selber beherrschen möchte, muss oft aus seiner sprachlichen Komfortzone raus und üben!

Auch in Deutschkursen und -prüfungen wird darauf geachtet, dass die Standardvarietät unterrichtet bzw. abgeprüft wird. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass nicht über Dialekte oder regionale Sprachbesonderheiten in den Kursen gesprochen werden kann. Schließlich müssen Deutschlernende, die in einer deutschsprachigen Region leben auch die regionalen Eigenheiten ihres Wohnortes kennen. Meine Kursteilnehmenden sind berichten oft von Phrasen oder Wörtern, die sie in Berlin gehört haben und nicht einordnen können. Auch diese Besonderheiten des Deutschen brauchen Raum in den Kursen, unabhängig davon ob sie zur Standardsprache gehören.

Neue Wörter sind für Sprecher*innen einer Sprache auch immer eine Lernaufgabe, besonders wenn sie Entlehnungen aus dem Englischen oder anderen Sprachen sind. Es braucht eine Weile, um ein Sprachgefühl für diese neuen Lexeme zu bekommen und sie richtig anzuwenden, falls erwünscht.

Jeder Mensch kann letztendlich für sich entscheiden, welche deutsche Varietät er sprechen möchte. Das Bewerten von Varietäten, egal ob ein Dialekt oder anderes Standarddeutsch wie z.B. aus Österreich, ist eine kurzsichtige und für das Zusammenleben unnötige Angewohnheit.

Marian Rejewski

Die Entschlüsselung der Enigma, der Chiffriermaschine der Deutschen, wird meist mit der Arbeit des britischen Mathematikers Alan Turing in Verbindung gebracht. Doch schon einige Jahre zuvor gelang einem Mann die grundlegende Entschlüsselung des Systems: Marian Adam Rejewski. 

Geboren wurde Marian Rejewski am 16. August 1905 in Bydgoszcz (damals Bromberg) im preußischen Teil Polens. Seine Eltern waren im Handel tätig und schickten ihren Sohn nach dem Abitur auf die Universität. Er studierte an Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań (dt. Posen) und Georg-August- Universität in Göttingen Philosophie, belegte aber parallel Kurse in Mathematik, Statistik und Kryptologie. Nach dem Studium kehrte er nach Poznań zurück, weil er an der Universität eine Stelle angeboten bekam. Der polnische Staat wollte junge begabte Studenten, die deutsch sprachen, als Mitarbeiter des Chiffrenbüros zur Dekodierung im Militärdienst gewinnen. Rejewski passte daher perfekt in diese Abteilung.

In dieser noch jungen Abteilung ging es um die Entschlüsselung der deutschen Enigma 1, die zu diesem Zeitpunkt von den Deutschen zur Verschlüsselung der Funksprüche genutzt wurde und . Die Abteilung zog im Herbst 1932 nach Warschau um. Rejewski entwickelte dort eine kryptanalytische Maschine, genannt Bomba, mit der sich die Funksprüche mit einigen Stunden Versatz entschlüsseln ließen.

Nach Kriegsausbruch evakuierte die polnische Regierung alle Mitarbeiter des Chiffrenbüros über Rumänien nach Frankreich, wo sie ihre Arbeit wieder aufnahmen. Rejewskis Aufgabe bestand unter anderem darin, bei der Dechiffrierung der stetigen Weiterentwicklung der Enigma standzuhalten. Außerdem gab es auch andere Codes zu knacken, was ebenfalls in die Zuständigkeit Rejewskis und seiner Kollegen fiel.

Im Sommer 1942 gelangten die Kryptologen über Spanien und Portugal nach England, wo Rejewski dann als Leutnant diente. Die Arbeit des Polen wurde von den Briten nicht weiter unterstützt, was ein Grund für die mangelnde Bekanntheit Rejewskis ist.

Nach dem Krieg kehrte er nach Polen zurück. Dort fand er seine Familie wieder, die er 1939 zurücklassen musste. Er blieb, trotz guter Angebote aus Poznań und Szczecin, in Bydgoszcz und arbeitete bis 1950 in einer Fabrik. Danach wechselte er mehrmals die Stelle, bis er 1967 in Rente ging. In der Zeit nach seiner Rückkehr begann das Ministerium für Öffentliche Sicherheit ihn zu überwachen. Über seine Tätigkeiten vor und während des Krieges ließ er in der Öffentlichkeit kein Wort verlauten, was ihn vor weiteren Schikanen der Behörden bewahrte.

Seine Arbeit wurde erst Anfang der 1970er Jahre publik, was ihm verschiedene Ehrungen einbrachte. Nun konnte er über seine Geschichte schreiben und wurde regelmäßig interviewt. 1978 bekam er den Orden Polonia Restituta, der der zweithöchste zivile Orden in Polen ist.

Am 13. Februar 1980 erlag Rejewski einem Herzinfarkt und wurde auf dem Militärfriedhof in Warschau, seinem letzten Wohnort, beigesetzt. Seine Lebensgeschichte wurde mehrfach verfilmt, zahlreiche Gedenktafeln erinnern an sein Wirken. Wer sich heute mit Geheimsprachen beschäftigt, kommt an Marian Rejewski nicht vorbei.

Die Arbeit von Rejewski und seinen Kollegen hat entscheidend zur Verkürzung des Krieges beigetragen. Und trotzdem sind sie fast vergessen von der westlichen Welt, die vielleicht deshalb heute (noch) in Frieden lebt.

Quellen

Beutelsbacher, Albrecht. Geheimsprachen (= Becksche Reihe Wissen. Band 2071) C. H. Beck, München 2005

Brzeziński, Zbigniew.The Unknown Victors, J.S. Ciechanowski i inni red., Marian Rejewski, Living with the Enigma Secret, Bydgoszcz: Bydgoszcz City Council, 2005