Nordische Mythologie

Die nordischen Mythen sind verwandt mit den germanischen Mythen auf dem europäischen Kontinent. Man geht davon aus, dass sie sich im Laufe der Zeit Bezeichnungen, kultische Orte und Traditionen auseinanderentwickelt haben. Ihre Ursprünge haben sie gemein, doch Namen und Kultbezeichnungen tragen andere Bezeichnungen.

Wie die germanischen Mythen im mitteleuropäischen Raum kann man die nordische Mythologie nicht mit einer Religion im engeren Sinne gleichsetzten. Sie war lange Zeit nicht festgeschrieben und es gab niemanden, der über die Einhaltung der „Regeln“ wachte, wie wir das z.B. aus dem Christentum kennen.

Die schriftliche Fixierung einer Glaubensrichtung vereinfacht die Verbreitung, obwohl die germanischen Stämme nie missionarisch unterwegs waren. Die ältesten schriftlichen Überlieferungen stammen aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. von Tacitus, der viel über die Germanen und ihre Kultur beschrieb (oftmals nicht sehr wohlwollend, aber besser als nix). Quellen, die von den Germanen selbst verfasst wurden, entstanden erst viel später. Es gab keine Alltagsschrift bis zur Christianisierung der Germanen, weder auf dem Kontinent noch in Skandinavien oder Island.

Die Germanen in Skandinavien hielten am längsten an ihren Göttern fest, daher stammt die bekannteste Sammlung auch von dort, genauer gesagt aus Island des 13. Jahrhundert, in altisländischer Schrift: Die Edda.

Es gibt zwei Teile, die Snorra-Edda, um 1220 von Snorri Sturluson verfasst, und die Lieder-Edda, etwa 1270 von (wahrscheinlich) mehreren Autoren aufgeschrieben. Da sich viele Teile der Snorra-Edda in der Lieder-Edda finden, kann es gut möglich sein, dass die Lieder-Edda früher entstanden ist, beweisen lässt es sich aber nicht.

Viel Wissen um die Kulte der Nordgermanen hat man aus archäologischen Funden gezogen, meist aus der Bronzezeit, etwa zwischen 2000-800 v.Chr.

Die mythische Welt der Nordgermanen ist reich an Wesen und Geschichten. Es gibt Riesen, Götter, heilige Tiere und Pflanzen, die magische Fähigkeiten haben. Dabei escheinen vor allem die Götter sehr menschenähnlich, mit allen Makeln und Eigenheiten, die man sich vorstellen kann.

Die Geschichten der Edda erzählen von der Erschaffung der Welt, dem Riesen Ymir und der Urkuh Audhumbla, den Riesen und Götter aus den Geschlechtern der Asen und Wanen (die sich immerzu bekämpfen, aber die Welten im Gleichgewicht halten), dem Weltenbaum Yggdrasil, den ersten Menschen Askr und Embla und vielem mehr.

Die Sicht auf die Welt machten die Nordgermanen stark von ihren Gottheiten abhängig. Sie befinden sich dabei mittendrin, in Midgard, der Ort für die Menschen, über den die Götter wachen. Die nordgermanische Gesellschaft ist, wie viele andere weltweit auch, in Schichten geteilt. Es gibt die Krieger und Bauern, die wahrscheinlich den größten Teil der Gesellschaft bildeten. Der Glaube an Gottheiten war ihnen allen gemein, aber die Geschichten der Edda erzählen fast nur von den Helden der Kriegerschicht. Nur ihnen wurde nach dem Tod ein Leben neben den Göttern versprochen, in Walhall. Auch das Ende der Welt, Ragnarök, wird in der Edda beschrieben. Dabei tobt ein Krieg zwischen den Göttern und den Riesen, bei dem die meisten umkommen.

Die Ähnlichkeiten oder Parallelen zum Christentum sind auf die Entstehungszeit der Edda zurückzuführen. Die meisten Schreiber waren entweder Christen oder mit dem Christentum vertraut, es wurden auch Vergleiche zu den römischen Göttern gezogen. Mit dem Einzug des Christentums in Skandinavien, ab dem 10. Jahrhundert, transformierte man die zahlreichen Götter und Wesen zugunsten der christlichen Lehre, um der Bevölkerung die Missionierung zu erleichtern.

Tempel oder heilige Orte hatten die Nordgermanen mit Sicherheit. Einer davon ist in Uppsala, es soll sogar einen Tempel gegeben haben. Davon sieht man jetzt nichts mehr, die christlichen Kirchen dominieren die Religionslandschaft, doch nicht selten sieht man germanische Wesen an christlichen Kirchenfassaden.

Die Nordgermanen hielten, trotz des angenommenen christlichen Glaubens, lange an ihren alten Göttern und Riten fest, vor allem in Island, dass aufgrund seiner Abgelegenheit mehr Freiheiten genoss.

In den letzten zwei Jahrhunderten erlebte die nordische Mythologie eine Art Renaissance. Die Legenden und Geschichten wurden systematisch untersucht und anderen Kulturen gegenübergestellt. Auch ideologisch nutzten einige die nordische Mythologie, um die Überlegenheit weniger Menschen zu „beweisen“. Heute ist es leider ein schmaler Grat zwischen Begeisterung und Verehrung der Mythen und der Ideologie der „nordischen Rasse“.

Quellen

Gaiman, Neil. Nordische Mythen und Sagen. Eichborn, 2017

Simek, Rudolf. Religion und Mythologie der Germanen. Wissenschaftl. Buchgesellschaft, Darmstadt 2003

Grimal, Pierre (Hrsg.). Mythen der Völker. 3, Frankfurt am Main, Fischer. 1967

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