Irrlichter

Arnold Böcklin: Das Irrlicht (1882)

In den Mythologien Europas finden sich viele Geschichten über Lichtphänomene in Moor- und Sumpflandschaften oder Wäldern: die Irrlichter.

Landschaften wie Moore oder Sümpfe bilden schon von ihrer Beschaffenheit den idealen Nährboden für Gruseliges oder Übernatürliches. Auch Namen wie Teufelsmoor (Niedersachsen) oder Blackwater Bog (Irland) zeugen von ungewöhnlichen Ereignissen. Zu allen Zeiten gelten Moore und Sümpfe als gefährliche Orte. Es ist kein Wunder, dass dort unerklärliche Dinge schnell einen Legendenstatus erreichen.

Irrlichter, auch Ignis fatuus oder Irrwische genannt, werden von böse Dämonen oder Geister heraufbeschworen. Es sind die Seelen von Menschen, je nach Kulturkreis von ungetauften Kindern, unehrliche Menschen oder auch Ertrunkenen. Die Verbindung mit Wasser wie in einem Sumpf ist naheliegend, denn viele Menschen verschwinden dort auf unerklärliche Weise.

In jedem Kulturkreis tragen Irrlichter verschiedene Namen: ‚świetlik‘ in Polen, ‚vedunec‘ in Slowenien oder ‚błud‘ in der Lausitz. Auf den Britischen Inseln kennt man u.a. die Bezeichnungen ‚Will-o’-the-wisp‘ oder ‚Spunkie‘.

Meist werden Irrlichter mit Licht oder Feuer assoziiert, in Form von Lichtkugeln, kleinen Flammen oder laternenartige Gebilde. Auch die Farben können variieren von blau über grün bis weiß, auch abhängig vom Ort der Erscheinung. Die Lichter bewegen sich über den Boden oder steigen in den Himmel, als wären sie echte Wesen.

Die meisten Erscheinungen von Irrlichtern soll es in den Wintermonaten, besonders zu Allerseelen, und Weihnachten, geben. Die Wesen sind durch die Art ihres Todes bestimmt, sie finden keine Ruhe. In der Regel treten sie in ungerade Zahl auf, warum ist unklar. 

In den meisten Kulturkreisen werden Irrlichter als Wesen beschreiben, die Reisende entweder führen oder in die Irre schicken. Die Menschen verlaufen sich im Wald oder versinken im Moor. Laut den Legenden kann man die Wesen mit einer Bezahlung oder einem Versprechen milde stimmen, sodass sie den richtigen Weg zeigen.

Irrlichter lassen sich heute naturwissenschaftlich erklären. Es gibt zahlreiche Phänomene, die Lichter erklären können z.B. aufsteigende Gase, die sich entzünden und je nach Gas unterschiedlich leuchten können. Eine andere Erklärung sind Organismen die die Fähigkeit zur Biolumineszenz haben, z.B. Glühwürmchen oder bestimmte Pilze, und in früheren Zeiten oft mit übernatürlichen Aspekten erklärt wurden. Zumal die Lichter bei Dunkelheit eine besondere Schönheit ausmachen.  

Die Faszination für Irrlichter findet sich in der Kunst wieder, unter anderem in Goethes ‚Das Märchen‘ oder einer Etüde von Liszt. Auch moderne Interpretationen in Mangas oder Filmen greifen das Motiv der Irrlichter auf.

Quellen

Grimal, Pierre. Mythen der Völker III. Fischer Bücherei. Hamburg 1963

Studia mythologica slavica VIII-2005

Lettisch

Die zweitgrößte baltische Sprache, nach Litauisch, mit ca. 2 Millionen Sprecher*innen ist Lettisch. Als Amtssprache in Lettland hat diese verhältnismäßig kleine Sprache aber auch den Status einer Minderheitensprache in Estland und ist seit 1. Mai 2004 eine Amtssprache der EU.

Lettisch gehört zur Gruppe der ostbaltischen Sprachen neben Litauisch, Nehrungskurisch, Selonisch u.a., stammt wie die slawischen und germanischen Sprachen aus der indoeuropäischen Sprachfamilie und wird vorwiegend in Lettland gesprochen. Größere Gruppen leben aber auch in Estland und anderen Ländern der EU.

Die Entwicklung des Lettischen als Schriftsprache begann etwa im 16. Jahrhundert und beschränkte sich vorerst auf religiöse Texte. Später wurden Texte u.a. aus dem Deutschen und Schwedischen zum Militärwesen und Recht übersetzt. Als Standardsprache hat sich das Lettische seit der Gründung Lettlands 1918 spezifisch entwickelt. Die Zeit der Besatzungen, u.a. durch die Sowjetunion, hat sich auf die Zahl der Sprecher*innen ausgewirkt, was heute durch eine konsequente Sprachpolitik wieder auf einem guten Weg ist aufzuholen.

Trotz der geografischen Nähe unterscheidet sich das Lettische sehr vom Litauischen, so dass sich Sprecher*innen nicht miteinander verständigen können wie es vielleicht zwischen Deutsch und Niederländisch der Fall ist. Trotzdem ist dem Wortschatz des Lettischen der Einfluss anderer sprachen wie Livisch, Englisch oder Russisch anzumerken, wobei viele Entlehnungen von den Letten nur ungern genutzt wird, je nach Region. Typisch für die baltischen Sprachen ist der Erhalt besonders alter indoeuropäischer Wortstämme, was die Historische Linguistik besonders freut.

Anders als viele europäischen Sprachen wird Lettisch phonetisch geschrieben, d.h. die Schreibung repräsentiert die Aussprache, was beim Erlernen der Sprache und dem Schrifterwerb lettischer Kinder von Vorteil ist. Die lateinischen Buchstaben werden ggf. durch diakritische Zeichen ergänzt, wie man es z.B. aus dem Tschechischen kennt. Insgesamt besitzt das lettische Alphabet 33 Buchstaben.

Die Aussprache des Lettischen ist mit einigen palatalisierten Konsonanten facettenreicher als das Deutsche. Alle Vokale sind in langer und kurzer Variante vorhanden, die bedeutungsunterscheidend sind z.B. ‚māti‘ – ‚Mutter‘ (Akk Sg.) oder ‚mati‘- ‚Haar‘, dazu kommen noch vier Diphthonge. Die Betonung liegt meist auf der ersten Silbe.

Ähnlich wie die slawischen Sprachen besitzt das Lettische eine reiche Flexion mit allerlei Ausnahmen, sechs Kasus und zwei Numeri. Das Verbsystem ähnelt in seiner Aufteilung dem Deutschen.

Das Lettische hat zahlreiche Dialekte, die in drei Hauptgruppen eingeteilt sind und unterschiedlich stark durch andere Kontaktsprachen beeinflusst sind.

Quelle

Eckert, Rainer. Lettisch. In Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002

Slawistik studieren in Deutschland

Wer Slawistik studiert bzw. Bohemistik, Polonistik o.ä. muss sein Studienfach in fast jeder Vorstellungsrunde erklären. Und oftmals wird davon ausgegangen, dass jeder von uns, ich schließe mich als Studentin des Faches ‚Slawische Sprachen‘ mit ein, hauptsächlich Russisch und russische Literatur bzw. Russisch auf Lehramt studiert. Dass die Slawistik aber breiter gefächert ist als viele andere Studienfächer, interessiert nur die wenigsten.

Zugegeben, wer Slawistik in Deutschland studieren will und gerne eine kleine slawische Sprache wie Slowakisch oder Bosnisch lernen möchte, muss bei der Wahl der Universität genau hinschauen. Das Studienangebot schrumpft leider seit Jahren. Das mangelnde Prestige slawischer Sprachen in Deutschland und die falschen Vorstellungen für spätere berufliche Aussichten, machen es dem Fach immer schwerer genug Studierende für einen Studienbeginn zu begeistern. Weniger Studierende heißt weniger Angebot, was automatisch zu immer weniger Studierenden führt und langfristig zur Schließung weiterer Instituten.

Etwa nur 25% aller deutschen Universitäten bieten Slawistik oder ein spezifisches Fach wie Südslawistik oder Slawische Sprachen an. Und die Studiengänge sind sehr klein, haben nur wenige Professuren und bieten meist neben Russisch nur zwei oder drei andere Sprachen an, oft auch nur im Wahlpflichtbereich. Die Dominanz der Russistik wird von vielen Studierenden kritisiert, ist aber meist traditionell in den Universitäten verankert. Und das obwohl seit 2004 viele Ländern mit slawischen Amtssprachen in die EU gekommen sind. Ein Wandel hin zu einer realistischen Abbildung dieser neuen politischen Situation hat bis heute nicht stattgefunden.

Die Ereignisse der letzte zehn Jahre, und besonders der letzten zweieinhalb Jahre, hat uns gezeigt wie wichtig ausgebildete Fachkräfte im Bereich der slawischen Kulturen und Sprachen sind. Jedoch stammen die meisten ‚Experten‘ aus dem Bereich der Politik, Geschichte oder Wirtschaftswissenschaften. Doch wer kennt sich in dem slawischen Kulturkreis am besten aus? Genau, die Slawist*innen.

Aber warum sieht man uns so selten in öffentlichen Debatten, Talkshows etc.? Weil wir meist nur als Literatur- und allenfalls noch als Sprachwissenschaftler*innen gesehen werden, die wenig Ahnung von Politik oder Wirtschaft haben. Das ist ein Trugschluss! Viele Slawist*innen haben genauso Ahnung von Literatur wie von Kultur oder Ethnografie, je nach Studienspezialisierung.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die Ereignisse seit 2014 haben die das Interesse vieler auf sich gezogen, beschränkt sich aber meist auf eine kurze Zeit. Egal, wie dieser Krieg ausgeht, wir werden Menschen brauchen, die sich mit den Ereignissen auseinandersetzen, sie in allen Facetten aufbereiten und in die Welt hinaustragen.

Das Europa, von dem viele junge Menschen träumen, braucht Slawist*innen, die diese Verbindung zwischen den Ländern fördern und das auch in der Lehre, auf Schul- und Universitätsebene, weitergeben!

Die Märchensammler Grimm

Kinder in Deutschland wachsen bis heute mit klassischen Märchen wie ‚Hänsel und Gretel‘ oder ‚Der Froschkönig‘ auf, die seit zweihundert Jahren zu einer schönen Vorlesezeit gehören. Mein Lieblingsmärchen ‚Tischlein, deck dich‘ gehört auch in diese Sammlung, die zwei der bekanntesten Deutschen gesammelt haben: Wilhelm und Jacob Grimm.

Jacob wurde 1785 und Wilhelm 1786 geboren und wuchsen mit vielen Geschwistern in Hanau auf. 1798 schickte die Mutter sie nach Kassel, um dort das Gymnasium zu besuchen. Nach dem Abschluss begannen beide ein Studium der Rechtswissenschaften in Marburg, wo sie sich in ihrer freien Zeit besonders der deutschen Literatur widmeten, aber auch ihre Lektüre auf andere europäische Literaturen ausdehnten.

Nach ihrem Studienabschluss (aber wahrscheinlich schon während des Studium) begannen sie ihre umfangreiche Sammlung deutscher Märchen und Sagen, die sie sich von den einfachen und gebildeten Leuten erzählen ließen, viele davon Hugenotten. Diese Geschichten wurden traditionell nur mündlich weitergegeben, Aufzeichnungen gab es vereinzelt. Doch die Grimms machten es sich zur Aufgabe sie aufzuschreiben und somit für uns zu bewahren.

Nach dem Tod der Mutter 1808 mussten die Brüder für die jüngeren Geschwister sorgen und kehrten erst ein paar Jahre später nach Kassel zurück. Ab 1811 veröffentlichten sie erste Bücher und arbeiteten weiter zusammen bis 1812 die ‚Kinder- und Hausmärchen‘ erschien, was sich leider nicht gut verkaufte. Auch die Folgewerke zu Themen wie der Edda und deutschen Fabeln waren keine Erfolge. Trotzdem arbeiteten beide weiter an den Märchen und gaben 1815 einen zweiten Band der Kinder- und Hausmärchen heraus. Das wuchtige Werk wurde bis 1825 verschlankt, was der Popularität der Märchen Aufschwung gab, neben den Illustrationen, die der jüngere Bruder Ludwig anfertigte. Die Verkaufszahlen stiegen stetig an, mehrmals mussten neue Auflagen gedruckt werden.  

‚Nebenbei‘ widmeten sie sich auch der Sprachwissenschaft, schufen Werke zur Sprachgeschichte des Deutschen und veröffentlichten in Fachzeitschriften. Die beiden Brüder konnten von ihrer Arbeit als Sammler von Geschichten zwar leben, waren aber trotzdem auf die Unterstützung von Wichtigen Persönlichkeiten angewiesen. Eine von ihnen war z.B. die Kurfürstin Wilhelmine Karoline von Hessen.

Die jüngeren Geschwister gingen ihrer Wege, Jakob und Wilhelm lebten aber weiterhin zusammen. Sie schufen u.a. das linguistischen Werk die ‚Deutsche Grammatik‘, die sich aber generell mit allen germanischen Sprachen, ihren Sprachverwandtschaften, Lautentwicklungen usw. beschäftigt und auch die Verbindung germanischer Sprachen zu anderen indoeuropäischen Sprachen herstellt.

1825 heiratete Wilhelm Dorothea Wild und ab da bildeten sie eine Dreiergruppe, zu der nach und nach noch Kinder von Wilhelm und Dorothea kamen. Ein Umzug nach Göttingen stand bevor, wo erst Jacob 1830 und ab 1835 als Professoren tätig waren. Gemeinsam begannen sie 1838 ihr umfangreichstes Projekt: das Deutsche Wörterbuch. 1840 holte sie der preußische König Friedrich Wilhelm IV. nach Berlin, wo sie bis zu ihrem Tod 1859 bzw. 1863 lebten. Die Brüder fanden ihre letzte Ruhe in Berlin-Schöneberg.

Der Nachlass von beiden zeigt, wie vielseitig beide Brüder interessiert waren. Sie schrieben zu politischen Themen und Jacob war 1848 kurzzeitig Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. In jeder deutschen Stadt sind Plätze, Straßen usw. nach den Grimms benannt. Jeder, der sich mit der deutschen Sprache und Literatur beschäftigt, stolpert über kurz oder lang über Märchen und sprachwissenschaftliche Abhandlungen von einem der Brüder. Die Stadt Kassel verwahrt den geistigen Nachlass der beiden.

Quellen

Bär, Jochen (Hrsg.). Die Brüder Grimm. Pioniere der deutschen Sprachkultur des 21. Jahrhunderts. Brockhaus, Gütersloh 2013.

Martus, Steffen. Die Brüder Grimm. Eine Biographie. Rowohlt-Verlag, Berlin 2009

Minderheitensprachen in Österreich

Im Gegensatz zu Deutschland ist Österreich klein, jedoch existieren dort genauso viele verschiedene Sprachgemeinschaften. Deutsch ist laut der österreichischen Verfassung die Staatssprache, wobei es sich vom Standarddeutsch in Deutschland stark unterscheidet. Es ist die Erstsprache von knapp 90% der österreichischen Bevölkerung, was prozentual weniger Menschen als in Deutschland sind. Doch welche Sprachen sprechen die gut 10% ohne Deutsch als Erstsprache?

Neben der Amtssprache Deutsch finden sich in Österreich die verschiedensten Sprachen, von denen einige als Minderheitensprachen anerkannt sind. Laut Gesetz sind es sieben Sprachen: Burgenlandkroatisch, Romani, Slowakisch, Slowenisch, Tschechisch, Ungarisch als Sprachen autochthoner Minderheiten  und Österreichische Gebärdensprache als eine Sprache einer nicht-ethnischen Sprachgemeinschaft. Das Volksgruppengesetz von 1976  und die Verfassung regelt alle Rechte der anerkannten Minderheiten. Österreich hat, wie viele Länder der EU, 2001 die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert und sich damit dem Schutz seiner Minderheiten verpflichtet.

Die Burgenlandkroaten leben v.a. im Burgenland an der Grenze zu Ungarn und machen in dieser Region etwa 6% der Bevölkerung aus. Sie sprechen eine Variante des Kroatischen, mehrheitlich herausgebildet aus dem čakavischen Dialekt. Zum heutigen Standardkroatischen gibt es viele Unterschiede z.B. in der Aussprache und der Einflüsse des Deutschen und Ungarischen. Auch eine ungarisch-sprechende Minderheit lebt im Burgenland. Als dritte Sprache ist das Romani hier besonders geschützt, Sprecherzahlen variieren und ihre Sprecher*innen sind nicht nur auf das Burgenland beschränkt. Doch anders als in Deutschland ist Romani nur regional anerkannt.

Die slowenische Minderheit findet man in Kärnten und der Steiermark, ihre genaue Zahl lässt sich aber nur schwer ermitteln. Sie standen in den letzten Jahrzehnten unter starkem Assimilationsdruck. Aktuelle Volkszählungen gehen von 15-20 Tausend Angehörigen dieser Minderheit aus und nicht alle sprechen Slowenisch. Immer wieder beklagen Vertreter dieser Minderheiten die mangelnde Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des Minderheitenschutzes. Die zwei Minderheitensprachen Slowakisch und Tschechisch haben ihren Schutzstatus nur in Wien.

Die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist eine verwandte Gebärdensprache der Deutschschweizer Gebärdensprachen, hat also kaum Verbindung mit der Deutschen Gebärdensprache. In Österreich sprechen etwa 12 Tausend Menschen diese Sprache. Offiziell ist sie seit 2005 anerkannt, doch fehlen bis heute weiter Gesetze, die z.B. den Bereich Schulbildung behandeln.

In Österreich werden aber auch zahlreiche andere Sprachen gesprochen. Diese haben allerdings nicht den Status der Minderheitensprachen und werden deshalb weder in den Schulen angeboten noch genießen sie andere Rechte. Häufig gesprochene Sprachen sind z.B. Serbisch, Arabisch, Türkisch, Polnisch und Albanisch.

Die Sprachenpolitik Österreichs ist in dieser Hinsicht sehr konservativ, ähnlich wie in Deutschland. In Gemeinden mit autochthonen Minderheiten ist das Land eigentlich verpflichtet zweisprachige Beschilderung im Stadtbild zu gewährleisten, was bisher nur wenig umgesetzt wird. Die Gemeinden sind auch verpflichtet muttersprachlichen Unterricht anzubieten, was nicht überall möglich ist. Das betrifft natürlich auch alle anderen Sprachen ohne Minderheitenstatus. Die Suche nach Lehrkräften und die Kapazitäten in den Schulen stellen dabei ein großes Problem dar.

Quellen

Statistika Austria https://www.statistik.at/

Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen  https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list?module=treaty-detail&treatynum=148

Erzgebirgskreis

Der Erzgebirgskreis in Sachsen mit dem Verwaltungssitz Annaberg-Buchholz blickt auf eine lange Geschichte zurück, auch wenn die heutigen Grenzen des Kreises erst seit 2008 festgelegt sind. Die beiden größten Städte sind Aue-Bad Schlema und Annaberg-Buchholz.

Die Region umfasst große Teile des Erzgebirges mit zahlreichen Flüssen wie der Zschopau und dem Schwarzwasser. Im Süden grenzt Tschechien mit dem südlichen Erzgebirgeteil (Krušné hory) an den Kreis. Die Region wurde im Juli 2019 zum UNESCO-Welterbe ernannt.

Die erste Besiedlung der Region lässt sich nicht genau datieren, doch deuten Funde auf eine Zeit weit vor Christi Geburt. Schon damals nutzten die Menschen die Erzvorkommen, wenn auch in wesentlich kleinerem Ausmaß. Besonders das Klima eignete sich nur bedingt für eine Besiedlung und den Ackerbau. Nur in den tiefer gelegenen Gegenden ist eine dauerhafte Landwirtschaft möglich.

Seit dem Mittelalter baut der Mensch in Erzgebirge Bodenschätze ab. Die heutige Kulturlandschaft ist das Ergebnis dieses Abbaus. Zu Beginn des 12. Jahrhundert machten die Entdeckung der Silbervorkommen die Region interessant und die Bevölkerungszahlen stiegen. Neben Silber wurden auch Vorkommen von Blei-, Kupfer- und Zinnerz entdeckt.

Die Besiedlung rund um die Städte Annaberg-Buchholz und Aue-Bad Schlema nahm mit dem Bergbau stetig zu. Siedler aus anderen Regionen strömten hierher, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Sie erhielten von den Landesherren oft Steuererleichterungen und Land. Mit der wachsenden Bevölkerung entwickelte sich auch die Infrastruktur, es wurden Spitäler, Kirchen, Gießereien usw. errichtet. Neben dem Bergbau entwickelte sich auch das Textil- und Töpferhandwerk zu florierenden Handwerkszweigen.

Die Kriege und Seuchen des späten Mittelalters verwüsteten die Region stark, zerstörten ganze Siedlungen und dezimierten die Einwohnerzahl. Doch die Wichtigkeit der Region zeigt sich im Wiederaufbau nach solchen Katastrophen.

Im 19. Jahrhundert ermöglichte die Industrialisierung und der Bau von Bahnstrecken der weiteren wirtschaftlichen Aufschwung und den Ausbau der Handelsbeziehungen über die Grenzen Sachsens hinaus. Besonders die Produktion von Posamenten wie Bänder, Spitze, Kordeln etc., die in den europäischen Großstädten stark nachgefragt waren, ebenso wie die Papierindustrie.

Auch heute ist die Region stark ins das Wirtschafts- und Industrienetz Deutschlands eingebunden, besonders in den Bereichen Maschinen- und Werkzeugbau. Auch das Handwerk und der Tourismus sichern die Existenz vieler Einwohner. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte muss sich die Region aber auch andere Wirtschaftszeige erschließen, da die Industrie abnimmt. Der Tourismus und das Gesundheitswesen sind da auf dem Vormarsch.

Der historische Reichtum der Region spiegelt sich heute in imposanten Burgen, Schlössern und Kirchen wider, auch über die deutsch-tschechische Grenze hinweg. Außerdem befinden sich 32 Naturschutzgebiete im Erzgebirgskreis, darunter auch Moorlandschaften wie Mothäuser Heide.

Das Wappen wurde 2008 entworfen und zeigt einen schwarzen Löwen in Gold über einem grünen Berg mit schräggekreuzten silbernem Schlägel und silbernem Eisen.

Quellen

Schattkowsky, Martina (Hrsg.). Erzgebirge. Edition Leipzig, Leipzig 2010

Unger, Helmut & Reinhart. Annaberger Chronik. Erzgebirgsmuseum Annaberg-Buchholz. Leipzig 1994

https://www.erzgebirgskreis.de

Niedersorbischkurs in Cottbus

Nachdem ich den Sommerkurs letztes Jahr verpasst habe, wollte ich mich, ganz nach deutscher Art, rechtzeitig anmelden, sprich September. Eine Unterkunft war auch schnell gefunden, nur meine Vorfreude war durch den Prüfungsstress in der Uni leicht gedämpft.

Die Anreise war für Sonntag geplant, denn der Kurs sollte am Montag um neun Uhr beginnen und meine Lust der Zuverlässigkeit der Bahn zu vertrauen wenig ausgeprägt. Am Nachmittag bezog ich meine kleine Wohnung unweit des niedersorbischen Gymnasiums.

Ganz allein zu sein bin ich nicht gewohnt. Ich schlief schlecht, was vielleicht auch an der Hitze lag, und machte mich Montag überpünktlich auf den Weg. Viel bekannte Gesichter, es waren wohl so um die neunzig Leute, saßen mit mir zusammen in der Cafeteria der Schule und nach einer kurzen Begrüßung wurden wir in verschiedene Gruppen eingeteilt und der Unterricht begann. Ich kam in eine fortgeschrittene Gruppe und meine anfängliche Nervosität, dem Sprachniveau nicht zu entsprechen, legte sich schnell.  

Jede Gruppe wurde von zwei Lehrpersonen unterrichtet, so dass sich die Lehrmethode immer ein wenig unterschieden und sich niemand langweilte. Auch die Themen waren bunt gemischt, ein bisschen Grammatik hier, ein wenig Wortschatz dort. Viele Dinge habe ich schon mal gehört und schnell verstanden, doch die praktischen Übungen halfen mir sehr mehr zu sprechen, was ich sonst, wegen fehlenden Sprachpartner*innen, kaum schaffe. Auch in den Pausen haben wir versucht ein wenig Niedersorbisch miteinander zu sprechen.

Der Unterricht endet am frühen Nachmittag und wer wollte, konnte die vielen kulturellen Angebote nutzen, die für alle angeboten werden, z.B. neuste Kurzfilme, Singabende uws. Ich war u.a. in der Lodka, der sorbischen Kulturinformation, wo ich einige Bücher zum Lesen und Üben erstanden habe. Und habe mir Vorträge zu unterschiedlichsten Themen, manche sogar auf Niedersorbisch, angehört. Zu meinem Erststaunen konnte ich mehr verstehen als ich gedacht habe.

Zum Abschluss der Woche trafen wir uns alle noch einmal, um unsere „Zeugnisse“ in Empfang zu nehmen. Ein wenig Wehmut empfand ich beim gemeinsamen Abschlusssingen, denn nun war die Woche endgültig vorbei und wir gingen unserer Wege.  

Rückblickend muss ich sagen, dass die Kurswoche viel zu schnell vorbei war. Ich habe mich erst am Ende wirklich getraut auch zwischen den Unterrichtseinheiten sorbisch zu sprechen. Eine zweite Woche wäre bestimmt hilfreich gewesen. Außerdem gab es so viele interessante Nachmittagsveranstaltungen, dass für eigene Pläne kaum Zeit blieb.

Wieder zu Hause in Berlin geht die Reise in die Welt des Niedersorbischen weiter, zwar eher für mich allein und in einem Online-Kurs, aber immerhin weiter. Auch die Kontakte, die ich zu vielen Leuten aufbauen konnte, werden helfen tiefer in die niedersorbische Sprache und Kultur einzutauchen.

Ganz sicher bin ich nächstes Jahr wieder dabei!

PS: Wer sich für das Niedersorbische interessiert, kann auf der Seite der Schule für Niedersorbische Sprache und Kultur vorbeischauen: https://www.sorbische-wendische-sprachschule.de

Lingua ignota

Geheimsprachen und -schriften gibt es schon seit Langem, ohne dass sich eine dauerhaft gehalten hatte. Menschen haben schon immer versucht Informationen so zu übermitteln, dass sie nur von Eingeweihten verstanden wurden. Doch gerade die erste und dokumentierte Geheimsprache bzw. Plansprache ist scheinbar nicht unbedingt zu diesem Zweck entwickelt worden. Sie stammt von Hildegard von Bingen: die Lingua ignota, dt. unbekannte Sprache.

Hildegard von Bingen war eine Äbtissin, die im 12. Jahrhundert lebte und in einem Kloster aufgewachsen ist. Das ermöglichte ihr eine für Frauen damals unüblich gute Ausbildung. Sie verfasste zahlreiche Arbeiten über Botanik, Medizin usw. und schuf eine Sprache mit dazugehörendem Alphabet.

Der Grund für Hildegards Motivation eine Sprache zu schaffen, wird in ihrer Religiosität vermutet. Sie beschreibt immer wieder Visionen, deren Deutung sie mittels einer neuen Schrift und Sprache in Worte zu fassen versucht. Man könnte die Lingua ignota als eine Art heilige Schrift verstehen, von Gott erschaffen, aber sicher ist diese Interpretation nicht.

Die Lingua ignota umfasst 23 Buchstaben, entsprechend dem lateinischen Alphabet. Das Aussehen der Buchstaben, sie nennt sie Litterae ignotae, scheint frei erfunden zu sein.

Insgesamt umfasst die Sprache nur 1011 Begriffe, die meisten davon sind Substantive. Dieser begrenzte Wortschatz beinhaltet vor allem Bezeichnungen für Menschen, Berufe, Tiere und Pflanzen. Auch die Menge an geistlichen Bezeichnungen wie Gott oder Teufel legen nahe, dass Hildegard weniger ein weltliches als ein geistiges Interesse an ihrer Sprache und Schrift hatte. Sie beschrieb keine komplette Grammatik, einige Endungen z.B. für Pluralformen sind zu erkennen.

Der Wortschatz ist teilweise ähnlich dem Deutschen, Hebräischen und Lateinischen, was Hildegard im Kloster gelernt hat. Manche Wörter weisen keine Parallelen zu bekannten Sprachen auf, sind also eine reine Erfindung.

Es lässt sich annehmen, dass die Sprache nicht für den täglichen Gebrauch bestimmt war. Die Gründe hat Hildegard niemals genannt. Sie verfasste eine Art Glossar mit dem Titel Ignota lingua per simplicem hominem Hildegardem prolata (dt. Eine unbekannte Sprache, von dem einfältigen Menschen Hildegard vorgelegt), in dem sie Übersetzungen ihrer Sprache vermerkt, jedoch erklärt sie weder die Entstehung noch den Zweck der Sprache.

Interessant ist, dass Hildegards wissenschaftliche Texte nie in der Lingua ignota geschrieben wurden. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass es die Schrift eher eine geistige Übung handelt. Auch in ihren zahlreichen Briefen verwendet Hildegard nur vereinzelt Wörter der Lingua ignota, warum ist unklar. Aus den Briefen geht auch hervor, dass ihre Briefpartner von der Existenz der Sprache wussten. Aber scheinbar hat niemand diese Sprache jemals aktiv verwendet. Man findet sie nur als einzelne Wörter, eingebettet in lateinische Texte.

Nach dem Tod Hildegard von Bingens ging das Wissen um die Lingua ignota und ihrer Entstehung verloren, bis sich unter anderem Wilhelm Grimm für diese Sprache und seine Geschichte interessierte. Man kann die Lingua ignota nicht isoliert betrachten, denn Hildegard von Bingen war sicherlich nicht so veranlagt eine Sprache ohne einen Sinn dahinter zu erschaffen. Aber das werden wir nie genau herausfinden.

Quellen

Ferrara, Silvia. Die große Erfindung. C.H.Beck, München 2021

Gärtner, Kurt & Embach, Michael. Lingua ignota und Litterae ignotae. In: Hildegardis Bingensis Opera minora II. Turnhout 2016

Marzanna

Am 21. März feiert die Menschen in vielen Teilen Polens den Beginn des Frühlings mit einer Prozession, bei der eine Puppe herumgetragen, dann verbrannt oder in einem Gewässer ertränkt wird. Diese Puppe symbolisiert Marzanna, die Göttin des Winters, des Todes und der Wiedergeburt. Ihr Tiersymbol ist der Kuckuck, der als Bote des Frühlings gilt, aber auch als Symbol des Teufels.

Der Name leitet sich vom indoeuropäischen *mar- bzw. *mor- ab, was ‚Tod‘ bedeutet. In der slawischen Mythologie kennt man Marzanna als Tochter von Perun und Mokosch. Als junge Frau heißt sie Mara. Sie hat einen Bruder, Jarilo, mit dessen Vereinigung sie den Frühling bringt.

Die unterschiedlichen Kulturkreise in der slawischen Mythologie kennen verschiedenste Namen: Mara auf Ukrainisch, Morana auf Tschechisch oder Mora auf Bulgarisch, der Ursprung ist derselbe.

Die Verbrennung oder Ertränkung der Marzanna geht auf einen heidnischen Brauch zurück, um den Winter auszutreiben. Die Puppe wird von Kindern und Jugendlichen gebastelt, meist aus Stroh gefertigt, mit einem weißen Tuch bekleidet und mit Bändern geschmückt. Je nach Region sieht sie eher nach einer jungen oder älteren Frau aus. Sie wird von den jungen Leuten durch die Straßen getragen, dazu werden Lieder gesungen. Singen die jungen Leute besonders schön, bekommen sie manchmal Geld oder Lebensmittel wie Eier geschenkt. Der Weg der Prozession führt zu einem Teich, Bach oder See, dann wird die Marzanna angezündet und ins Wasser geworfen.

Die Puppe darf im Wasser nicht mehr berührt werden, das bringt Pech. Auf dem Rückweg dürfen sich die Menschen nicht nach der Marzanna umdrehen, es könnte ebenfalls Pech oder Krankheiten bringen, ein Sturz sogar den Tod in nächster Zeit. Dieser Brauch ist also nichts für schwache Nerven!

Manchmal fehlt das Anzünden, warum ist nicht ganz klar. Möglich ist die Verbindung von Marzanna und dem Wasser als Symbol der Wiedergeburt oder als Weg in die Unterwelt. Manche lehnen die Interpretation Marzannas als Göttin des Todes ab und sehen sie eher als Fruchtbarkeitsgöttin. Beides findet man in der Literatur.

Die Kirche sah den Brauch natürlich nicht gerne, da er auf heidnische Ursprünge zurückgeht und die Zeit der Prozession oft in die Zeit um Ostern fiel. Doch der Brauch hält sich bis heute, jedoch fällt er mit dem Frühlingsfest ‚Jare Święto‘ zusammen, und ist sehr beliebt.

Ähnliche Bräuche kennt man auch in Deutschland, wobei die Puppe eher männlich gelesen wird. Manchmal findet man in den Gegenden des Marzanna-Brauches auch eine männliche Variante, den Marzaniok.

Quellen

Gieysztor, Aleksander. Mitologia Słowian. Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, Warszawa 2006

Zdeněk, Váňa. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Urachhaus, Stuttgart 1992

Rechtschreibung – Fluch oder Segen?

Diktate prägten mein ganzes Schulleben, bis zur zehnten Klasse. Vielleicht kann sich der eine oder andere auch noch daran erinnern. Ich erinnere mich gut an die Anspannung an den Diktattagen, für die ich fleißig geübt habe. Meine Lehrerin in der achten Klasse hat mir nach einer Diktatrückgabe gesagt, dass ich wohl viel lesen würde, weil ich die deutsche Rechtschreibung so gut beherrsche. Diesen Tipp gebe ich auch meinen Kindern. Lest mehr, dann prägt ihr euch die Schreibung schwieriger Wörter von ganz alleine ein!

Aber was würde denn eigentlich passieren, wenn man beim Schreiben nicht auf die Rechtschreibung achten würde? Ist es verboten so zu schreiben, wie man will? Theoretisch kann jede Person schreiben, wie sie will. Es gibt kein Gesetz, das verbietet nach Gehör zu schreiben. In der Schule riskiert man halt eine schlechte Deutschnote, aber das wars. Auf Ämtern ist die Schreibfreiheit allerdings auch begrenzt. Auch hier ist die Verwendung einer festgelegten Schreibung des Standarddeutschen vorgeschrieben.

Also kurz um, wir kommen kaum umher richtig zu schreiben. Doch wer hat das eigentlich beschlossen wie wir zu schreiben haben? Dafür müssen wir zu den Anfängen des Deutschen als Schriftsprache zurückgehen. Die ersten Texte in deutscher Sprache wurden wahrscheinlich im 8. Jahrhundert geschrieben, mit lateinischer Schrift. Schon hier traten die ersten Schwierigkeiten auf, denn das lateinische Alphabet konnte nicht alle Laute des damaligen Deutsch verschriftlichen. Es mussten Abwandlungen der Buchstaben wie z.B. die Umlaute her. Auch Großschreibung oder Satzzeichen sind nötig, um Satzanfänge und -enden zu markieren. Ein Vorreiter in dieser Sache war Notker von St. Gallen, der eine erste Schreibung festlegte. Trotzdem schrieben die meisten frei nach Schnauze.

Selbst als der Buchdruck ab 1450 aufkam, entstand keine einheitliche Schreibung, weder Groß- und Kleinschreibung noch die Schreibung von Doppelkonsonanten etc. Da auch das Deutsche als Sprache so große Veränderungen durchgemacht hat, besonders in der Silbenstruktur und im Vokalsystem, und die Mehrheit der Menschen im Mittelalter eh nicht lesen und schreiben konnten, betraf die Frage nach einer einheitlichen Schreibung nur eine kleine Gruppe in der Bevölkerung.

Bewegung in die Sache kam erst ab dem 18. Jahrhundert. In der Zeit nahm u.a. die Schulbildung der Menschen zu, d.h. immer mehr Menschen lernten lesen und schreiben. Das erforderte zuverlässige Lehrmaterialien und eine Ausbildung von Lehrern, die einen vergleichbaren Standard vermitteln sollten. Ein erstes nennenswertes Werk war das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm, begonnen um 1838 und erst seit einigen Jahren fertiggestellt. Ihre Arbeit verstärkte die Diskussion um eine genormte Rechtschreibung für Schulen und Behörden, die nach der Reichsgründung 1871 stetig vorangetrieben wurden.

Der Durchbruch in dieser Debatte konnte Konrad Duden verzeichnen, der 1880 sein Wörterbuch herausgab. Dudens Name ist bis heute ein Symbol für die deutsche Rechtschreibung. 1902 wurde Dudens Wörterbuch und die darin festgeschriebenen Schreibungen als Regelwerk bestätigt. Bis heute wird der Duden stetig überarbeitet, angepasst und neu herausgegeben, teilweise sind die Änderungen kontraintuitiv für die Menschen.

Bis heute musste Generationen von Schüler*innen zahlreiche Rechtschreibreform durchleben. Kaum hatte man das System durchschaut, kam die nächste Reform um die Ecke. Schrift ist wie Sprache an sich kein statisches Gebilde, sondern verändert sich mit dem Wandel der Sprache.

Besonders der Schrifterwerb kollidiert oftmals mit den Regeln der deutschen Rechtschreibung. Das Konzept ‚Schreiben wie gehört‘ funktioniert im Deutschen nicht, weil die deutsche Schreibung nicht phonetisch ist, d.h. ein Buchstabe repräsentiert mehrere Laute. Das erschwert das intuitive Schreiben. Da heißt es einfach üben, leider.

Doch wenn die deutsche Rechtschreibung so schwierig und wenig intuitiv ist, warum machen wir das überhaupt? Weil wir in einer Gemeinschaft leben, die bestimmte Regeln braucht, um zu funktionieren. Wir haben uns auf bestimmte Normen geeinigt, die im öffentlichen Leben gelten. Heute steht die deutsche Rechtschreibung ein wenig für deutsche Ordnung und gute Bildung, was im Umkehrschluss nicht heißt, dass Fehler in der Rechtschreibung unbedingt auf eine schlechte Bildung des Schreibenden deutet.

Aber im Privaten dürfen alle schreiben, wie sie wollen. Manchmal nutzen Personen eine offiziell falsche Schreibung, um Statements zu setzen oder eine Kunstform zu kreieren. Besonders in den Sozialen Medien kann man die verschiedensten Schreibungen finden. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Quellen

Schneider, Michael. Geschichte der deutschen Orthographie – unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung seit 1994

Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Amtliche Regelung, 1. August 2006. Herausgegeben vom Rat für deutsche Rechtschreibung. Narr, Tübingen 2006