
Im slawischen und auch finno-ugrischen Kulturraum haben sich trotz der Christianisierung viele alte Gottheiten erhalten, auch wenn sich die Namen oder Eigenschaften dieser Figuren verändert haben. Eins dieser überall verbreiteten Wesen ist die Kikimora, eine verschieden interpretierte Gestalt.
Der Ursprung der Kikimora liegt eventuell in der slawischen Göttin Mokosch, die als eine der wenigen weiblichen Gottheiten der Slawen bekannt ist. Im Laufe der Zeit wurden die heidnischen Götter durch das Christentum verdrängt bzw. verloren ihre (meist) positive Zuschreibung. Im Christentum war kein Patz für mehr als einen Gott, schon gar keine Göttin. So wurde aus der Göttin für Fruchtbarkeit und Weiblichkeit ein Poltergeist. Ein andere Herleitung der Kikimora beschreibt sie als Seele eines Menschen, der nachts umherstreift und Albträume verursacht. In einigen Regionen wird die Kikimora auch als Sumpf- oder Waldgeist beschrieben. Beide Orte hatten bei den Slawen eine wichtige Bedeutung.
Eine etwas andere Vorstellung der Kikimora, ist die eines Hausgeistes. Ähnlich wie viele andere Wesen soll die Kikimora in den Häusern der Menschen leben und ihnen manchmal sogar helfen z.B. beim Füttern der Hühner oder bei der Haushaltsarbeit. Sie legt dann Wert auf Ordnung und bestraft unordentliche Menschen in dem Sie nachts durch das Haus streift, Albträume bringt und Unordnung machet. Ihr Erscheinen wird oft auch als Todesomen für einen der Hausbewohner gedeutet.
Ob die Kikimora mit der Figur der Mora/Marzanna/ Morena gleichzusetzen ist, wie von manchen behauptet, ist umstritten.
Sie wird meist als alte Frau dargestellt, selten als Mädchen. Ihre Gestalt ist zwar einem Menschen ähnlich, weist aber auch animalische Züge auf z.B. ihre hühnerähnlichen Füße oder die Schnauze eines Hundes. Ihre Kleidung ist alt und zerfetzt, manchmal mit Moos oder Pflanzen besetzt, wenn sie eher als Wald- oder Sumpfwesen gelesen wird. Seltener wird die Kikimora als unsichtbar beschrieben, was aber gut zur Vorstellung eines Poltergeistes passt. Auf dem bekannten Bild von Ivan Bilibin (oben) sieht man einen Prototypen der Kikimora.
Quellen
Gieysztor, Aleksander. Mitologia Słowian, 3. Aufl., WUW, Warschau 2006
Váňa, Zdeněk. Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Die geistigen Impulse Ost-Europas, Urachhaus, Stuttgart 1992