Deutschland = Deutsch?

In Zeiten des wachsenden Populismus begegnen uns immer wieder Parolen wie „In Deutschland wird Deutsch gesprochen!“ oder „Deutschpflicht auf dem Schulhof!“ und viele Menschen nicken zustimmend. Die Nachrichten sind voll mit Berichten über den Verfall der deutschen Sprache, aber sind sie glaubhaft? Sprechen immer weniger Menschen „gutes“ Deutsch und nehmen andere Sprachen Überhand?

Ein paar Fakten ..….. Das eine Deutsch gibt es nicht, sondern mindestens drei Standardvarietäten: Bundesdeutsches, österreichisches und schweizerisches Standarddeutsch. Dazu kommen unzählige Dialekte, die mit den Standardvarietäten manchmal wenig zu tun haben.  Deutsch wird außer in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch noch in Luxemburg, Liechtenstein, Belgien, Norditalien, Süddänemark, Elsass und als Minderheitensprache z.B. in Rumänien, Polen oder Namibia gesprochen. Deutsch ist also weitverbreitet und außerdem die zahlenmäßig größte Sprache der Europäischen Union. Auch als Fremdsprache ist Deutsch sehr populär. Nach Englisch und Französisch ist es die meistgelernte Fremdsprache der EU, vor allem in den Nachbarländern Deutschlands.

In Deutschland leben etwa 83 Millionen Menschen. Wie viele Sprachen hier gesprochen werden, ist nicht genau klar, aber es sind viele. Neben Deutsch als einzige Amtssprache haben wir die Minderheitensprachen Dänisch, Niedersorbisch, Nordfriesisch, Obersorbisch, Romanes und Saterfriesisch, die Regionalsprache Niederdeutsch und die Sprachen derer, die von überallher nach Deutschland gekommen sind. Die häufigsten Sprachen sind Türkisch, Russisch, Arabisch, Polnisch und Englisch.

Laut dem Statistischen Bundesamt sprachen 2021 80% aller in Deutschland lebenden Menschen zu Hause Deutsch, unabhängig von der Muttersprache. 15% sprechen neben Deutsch zu Hause noch eine oder mehrere Sprachen und nur 5% sprechen zu Hause überhaupt kein Deutsch. Diese Zahlen zeigen, dass es trotz der vielen Menschen ohne deutschen Pass (etwa 10% der in Deutschland lebenden Menschen) in Deutschland nicht dazu kommt, dass nicht mehr „genug“ Deutsch gesprochen wird. Man hat durch Befragungen herausgefunden, dass ein Drittel der Menschen mit Migrationshintergrund* zu Hause ausschließlich Deutsch spricht. Und von allen Personen mit Migrationshintergrund sprechen nur 18 % zu Hause ausschließlich eine oder mehrere Sprachen außer Deutsch. Die Hälfte der mehrsprachigen Personen mit Migrationshintergrund nutzten neben Deutsch noch eine andere Sprache, um zu Hause zu kommunizieren. Von fehlender sprachlicher Integration kann also keine Rede sein!

Auch aus linguistischer Sicht ist der angebliche Verfall der deutschen Sprache dabei nicht zu beobachten. Die verschiedenen Varietäten z.B. in der jungen Generation mit neuen Wortschöpfungen sind kein Phänomen der jetzigen Zeit. Schon immer unterschied sich die Sprache zwischen den Generationen. Viele fühlen sich von diesem Wandel innerhalb des Deutschen bedroht und fordern, dass in Schulen keine anderen Sprachen als Deutsch gesprochen werden dürfen. Dabei zeigen Untersuchungen, dass zweisprachige Kinder genauso gut Deutsch erlernen wie einsprachig-deutsche Kinder.

Warum also diese Parolen? Warum wird mit unwissenschaftlichen Argumenten gegen die Mehrsprachigkeit gepredigt? Die Menschen stehen dem Unbekannten oft sehr skeptisch gegenüber. Doch leben wir nicht in einer Gesellschaft, die sich die Vielfalt, sprachlich, religiös oder auch sexuell, als Grundrecht in die Verfassung geschrieben hat? Es mag einige geben, die das anders sehen, und immer wieder behaupten das Deutsche wird verdrängt. Deutschland wird dadurch bunter, aber nicht weniger deutschsprachig.

*Migrationshintergrund bedeutet in diesem Kontext, dass eine Person oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind.

Quelle

Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Home/_inhalt.html

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