Ungarisch – Allein auf weiter Flur

Ungarn liegt inmitten von Europa, umgeben von Ländern, in denen Sprachen der indoeuropäischen Sprachefamilie gesprochen werden. Widererwartend sprechen die Ungarn aber eine Sprache aus der uralischen Sprachfamilie, zu der beispielsweise auch Finnisch und Estnisch gehören.

Ungarisch (manchmal wird auch das Synonym magyarisch verwendet) ist die Amtssprache Ungarns und hat in einigen Nachbarstaaten u.a. in Österreich, Slowenien und der Ukraine den Status einer Regional- bzw. Minderheitensprache. Man geht von etwa 15 Mio. Sprechern weltweit aus, wobei der größte Teil in Ungarn selbst und den Nachbarstaaten lebt. Kleinere Gruppen finden sich auch in Nordamerika und Australien.

Die Geschichte der Ungarn ist wechselhaft, gezeichnet von verschiedenen Fremdherrschaften z.B. der Tartaren, der Türken oder als Teil der Habsburger Monarchie. Durch Kriege und Eroberungen variierte die Größe des Siedlungsgebietes der Ungarn in der Geschichte.

Die Herkunft der ungarischen Sprache wird meist auch mit ihrer Sprachverwandtschaft zu uralischen Sprachen erklärt: Aus dem Gebiet des Urals wanderten Gruppen in Richtung Mitteleuropa und ließen sich dort etwa 900 n.Chr. rund um das Karpatenbecken nieder. Sie wurden durch andere Bevölkerungsgruppen von ihrer ursprünglichen Sprachfamilie isoliert und entwickelten sich unabhängig weiter. Das erklärt, warum zwar eine Sprachverwandtschaft mit Finnisch oder Mansisch besteht, aber keine Verständigung mit den Ungaren möglich ist. Durch die lange Isolation entwickelte das Ungarische einfach zu viele Unterschiede.

Hungarologen haben 10 Dialektgruppen klassifiziert, die sich meist aufgrund geschichtlicher Faktoren entwickelt haben und sich vor allem in Lexik und Aussprache unterscheiden, seltener in syntaktischer Hinsicht. Die Dialekte sind, wie in vielen Sprachen, Schritt für Schritt dabei sich anzugleichen. Doch es gibt innerhalb der Dialekte deutliche Einflüsse der Umgebenden Sprachen wie Deutsch, Kroatisch oder Rumänisch.

Die ungarische Sprache, geschrieben in lateinischer Schrift, weist ein reiches Inventar an Lauten auf: Allein 14 Vokale gibt es, dabei wird zwischen langen und kurzen Vokalen unterschieden, die oftmals eine bedeutungsunterscheidende Funktion haben z.B. tör [tør] (dt. brechen) – tőr [tø:r](dt. Dolch). Genauso unterscheidet man die Länge der 25 Konsonanten, deren Länge mit einer Konsonantenverdoppelung gekennzeichnet wird z.B. var (dt. Schorf) – varr (dt. nähen).

Ein weiterer wichtiger Punkt der ungarischen Laute ist die Vokalharmonie, also dass helle und dunkle Vokale nur sehr selten zusammen in einem Wort vorkommen. Das ist vor allem bei Sprachen, die agglutinierend funktionieren oft zu beobachten.

Da Ungarisch zu den agglutinierenden Sprachen gehört, weist es eine spezifische Morphologie auf. Alle Bedeutungen, die Wörter zueinander im Satz haben, werden durch Anhängen von Suffixen an die Wortstämme realisiert.  Das bedeutet, im Gegensatz zu den meisten Sprachen in Europa, dass im Ungarischen Wörter immer länger werden, weil mehr Informationen übermittelt werden sollen. Praktisch, aber beim Lernen der Sprache etwas gewöhnungsbedürftig.

Ein Vorteil beim Lernen ist das Fehlen der grammatischen Geschlechter. Es wird nur Einzahl und Mehrzahl unterschieden. Dafür hat das Kasussystem einige Tücken. Eine genaue Zahl zu nennen ist schwierig, die grammatischen Lehrbücher sind sich nicht einig, aber es sind sehr viele Fälle!

Die vorherrschende Satzstellung ist Subjekt-Objekt-Verb (SOV), durch verschiedenste Faktoren kann das aber auch variieren.

Durch die Zugehörigkeit des Ungarischen zu uralischen Sprachfamilie, bezieht es seinen Grundwortschatz vorwiegend aus dem Stammwortschatz der finnougrischen Zeit. Die wechselnden Einflüsse anderen Sprachen bzw. Völker haben dazu beigetragen den Wortschatz zu erweitern z.B. die Turksprachen, das Lateinische (da es als Kirchensprache fungierte), das Deutsche (schon früh durch Handelsbeziehungen, adeligen Familienbanden und später durch die Zugehörigkeit zur Habsburger Monarchie) und slawische Sprachen. Die Ungarn waren zu allen Zeiten bemüht ihre Sprache nicht zu sehr mit Lehnwörtern zu spicken und sie passen möglichst alle an die ungarische Schreibung an. So wird ein Internationalismen wie Manager und Single im Ungarischen zu menedzser und szingli.

Ein interessanter und geheimnisvolles Relikt der ungarischen Sprache und Geschichte ist die sogenannte Runenschrift, die nicht mit den Runen aus Skandinavien zu tun hat, aber trotz allem als erste ungarische Schrift gilt. Von ihr gibt es leider nur wenige erhaltene Schriftproben, so dass eine genaue Untersuchung schwierig ist.

Die ungarische Literaturlandschaft ist reichhaltig und zurecht sind die Ungarn stolz auf ihre großen Schriftsteller wie Bálint Balassi (1554–1594), Mihály Csokonai Vitéz (1773–1805), Mihály Babits (1883–1941) und noch so viele mehr. Der Stolz der Ungarn und ihre Liebe zur Sprache verleiht dem Ganzen einen Hauch von Heroismus.

Es lohnt sich definitiv, sich mehr mit dieser faszinierenden Sprache zu beschäftigen!

Quelle:

Papp, György. Ungarisch Artikel in der Enzyklopädie des europäischen Ostens, Universität Klagenfurt

Wenzel, Haik. Langenscheidts Praktisches Lehrbuch, Ungarisch. Langenscheidt, München 1998

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