Wozu Fremdsprachen lernen?

In der Schule waren Fremdsprachen zugegebermaßen nicht meine Lieblingsfächer. Wie damals üblich war für alle Kinder ab der fünften Klasse Englisch verpflichtend. Wer lieber Französisch lernen wollte, musste die Schule wechseln. In der siebten Klasse konnte ich eine weitere Fremdsprache wählen. Zur Auswahl standen Spanisch, Französisch oder Russisch, das ich sehr gerne belegt hätte, doch mit nur zwei Schüler*innen wollte die Lehrerin verständlicherweise nicht beginnen. Auf Spanisch und Französisch hatte ich keine Lust, also ließ ich es bleiben. Damit gestaltete sich meine Schulkarriere in Sachen Sprachen ziemlich einseitig. Deutsch war mit Geschichte und Erdkunde mein Lieblingsfach, Englisch kam ziemlich weit hinten und die Note war nur durchschnittlich.

Doch schon als Jugendliche war ich von Sprachen fasziniert. Ich „las“ die fremdsprachigen Zutatenlisten auf Lebensmitteln oder Betriebsanleitungen von technischen Geräten. Doch so richtig in die Gänge kam ich erst während eines Urlaubs in Polen als ich polnische Jugendliche kennenlernte und wir mit Englisch zwar zurechtkamen, aber ich mich fragte, warum wir nicht die Sprache des direkten Nachbars sprachen. Aus dieser Begegnung ist eine Freundschaft entstanden und bis heute geblieben, meine Liebe zu Polen und der polnischen Sprache begründet sich darauf.

Also entschloss ich mich Polnisch zu lernen, so nebenbei, dachte ich. Ich kaufte mir ein Wörterbuch und eine Grammatik und fiel sofort auf die Schnauze: Versucht mal ohne Plan ‚chrząszcz‘ (dt. ‚Käfer‘) auszusprechen! Ich merkte, dass ich das als Selbstlernerin nicht weit bringen würde und meldete mich in einer Volkshochschule zu einem Anfängerkurs an. Etwas ernüchternd stellte ich fest, dass der Altersschnitt bei 60 Jahren lag und alle, außer mir (knappe 16 Jahre alt), schon Vorkenntnisse besaßen. Es war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte in meinem jugendlichen Leichtsinn. Doch zumindest die Aussprache war mir jetzt klar, wenn auch nicht so einfach für meine deutsche Zunge. Mir fehlten Übungsgelegenheiten, ich kannte in Berlin keine Polen, also wie sollte ich es lernen? Ich hatte eine Zeitlang Unterricht bei Polinnen, die in Berlin studieren, alles nebenbei neben der Schule bzw. der Ausbildung und anderen Hobbys. Doch meine Faszination für Sprachen, besonders für das Polnische, taten diese Schwierigkeiten keinen Abbruch.

Auch meine eigene Sprache, Deutsch, lernte ich durch das Polnisch lernen besser kennen. Die Neugier auf Sprachstrukturen, verwandtem Wortschatz und kulturellen Einflüssen wurde immer größer. Nach vielen Jahren traute ich mich endlich mich zur B1-Zertifikatsprüfung anzumelden, die ich im Herbst 2018 in Warschau ablegte. Dafür lehrte ich intensiv und es hat sich gelohnt! Mit diesem Zertifikat in der Tasche, in Deutschland braucht man ja für alles einen Schein, entschloss ich mich zu einem großen Schritt und schrieb mich an der Universität für Slawistik und germanistische Linguistik ein. Heute, kurz vor Beendigung meines Bachelorstudiums kann ich sagen, dass das die beste Entscheidung für mich war. Nicht nur, dass ich so viel lerne, sondern auch die Art und Weise Dinge zu betrachten und offen für Neues und Andersartige zu sein.

Ich denke, die Neugier auf Neues ist dabei das Entscheidende. Bei mir ist es die Lust auf neue Sprachen, der das Interesse für die Kulturen anderer Länder und Menschen folgt. Eine neue Sprache zu lernen ist der erste Schritt in diese neue Welt. Rückblickend ärgere ich mich darüber, dass ich nicht schon früher als Schülerin diese Neugier entwickelt habe. Es wäre so viel leichter gewesen!!

Und außerdem schreitet der Fortschritt immer weiter voran, vor allem die Übersetzungsprogramme werden immer besser. Wozu soll man eigentlich noch Fremdsprachen lernen? Für mich stellt sich diese Frage eigentlich nie, denn ich bin ein Mensch und brauche Sprache.

Für mich bedeutet Sprachen lernen vor allem Spaß, ja auch bei Grammatik! Ich tauche gerne ein in die Welt der jeweiligen Sprache, ich staune über Laute, die ich nicht kenne und vielleicht auch (noch) nicht aussprechen kann, verliere mich im jeweiligen Kasus- oder Konjugationssystem und und und….

Welche Vorteile bringt das Erlernen einer Sprache noch so mit? Wichtig ist das Ziel und die Motivation. Wenn man Englisch lernt, weil es in der Schule dafür eine Note gibt, ja wie motiviert kann man schon sein? Aber wenn ein Urlaub ruft oder man einen Menschen aus dem Land kennenlernt, dann sieht das schon anders aus. Sprachen öffnen das Tor zu einer neuen Welt, sie lassen uns offener und toleranter sein. Das Gefühl sich mit jemanden in seiner Muttersprache unterhalten zu können, steigert das Selbstvertrauen.

Lernen, egal was, steigert die geistige Fitness, verbessert unsere beruflichen Chancen, führt langfristig zu intensiveren Freundschaften und hilft uns andere besser zu verstehen. Keiner erwartet, dass man eine Fremdsprache perfekt und akzentfrei beherrscht. Einigen wenigen gelingt das, doch ist das das Ziel? Nein, die gegenseitige Verständigung ist wichtig, nicht der fehlende Akzent.

Ich gehöre zu den Menschen, die sich oft schwer tun mit dem Erlernen einer Sprache. Ich brauche lange, um mir Wörter zu merken, Grammatikregeln anzuwenden usw. Aber es macht mir Freude und genau darum geht es mir. Ich verstehe durch meine eigenen Erfahrungen immer besser, wie es anderen z.B. beim Deutschlernen geht und wie viel Überwindung es kostet zu sprechen, obwohl man sich seiner Fehler bewusst ist. Aber das ist egal. Je mehr Sprachen ich lerne, desto unwichtiger ist mir der Ehrgeiz sie fließend zu sprechen. Ich bin einfach Realistin! Aber das wird mich nicht davon abhalten weitere Sprachen zu entdecken!

Ein Kommentar

  1. Hallo Lena, ich erinnere mich an deinen Ehrgeiz und deine Freude polnisch zu lernen. Du hast so viele Möglichkeiten genutzt, die Sprache zu lernen. Mit deinem Studium bleibst du dran, eröffnest dir neue Welten und lässt andere daran teilhaben. Mach weiter so.
    Ich bin stolz auf dich. Mama

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