Niedersorbisch – klein, aber fein!

Wer in Brandenburg rund um Cottbus unterwegs ist, wird es schon oft gesehen haben: Zweisprachige Schilder für Straßen, Bahnhöfe und Wegweisern. Die meisten bemerken es kaum, aber es ist ein Hinweis auf die Existenz der kleinsten westslawischen Sprache, dem Niedersorbischen.

In Deutschland ist sie als anerkannte Minderheitensprache besonders geschützt und die Sorben als nationale Minderheit anerkannt (das gilt für alle Sorben, die Unterscheidung zwischen Ober- und Niedersorben ist dabei nicht ausschlaggebend). Die Verwandtschaft des Niedersorbischen mit dem Obersorbischen, Polnischen und Tschechischen ist in allen Bereichen der Sprache zu erkennen.

Das Siedlungsgebiet der Niedersorben ist heute die Niederlausitz im Süden Brandenburgs. Die größte Stadt und ihr niedersorbisches Zentrum ist Cottbus, niedersorbisch Chóśebuz. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gemeinden, die durch ihre Zugehörigkeit zum Sorbentum (das gilt natürlich nicht für alle Einwohner) die Sprache und Kultur der Niedersorben pflegen.

Aktuelle Zählungen gehen von etwa 7.000-10.000 Niedersorbischsprechende aus, damit ist sie eine der am stärksten vom Aussterben bedrohte Sprache Europas. Die Zahlen beinhalten auch Personen, die nur geringe Niedersorbischkenntnisse aufweisen und dadurch nur bedingt für den Erhalt der Sprache sorgen können.

Seit der Wende setzten sich wieder vermehrt Verbände und Organisationen für den Erhalt des Niedersorbischen ein. 1998 wurde Niedersorbisch von der EU als eigenständige Sprache anerkannt und in die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen aufgenommen.

In der Vergangenheit waren die Sorben und ihre Sprachen immer wieder mit deutschen Repressalien konfrontiert. Im 17. Jahrhundert wurden das Sorbisch sprechen und der Druck sorbischer Bücher von Seitens Preußens und Sachsens verboten, die Sorben sollten sich assimilieren. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus galt Sorbisch als minderwertig. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die sorbischen Sprachen zwar staatlich gefördert, waren aber (inoffiziell) an die Loyalität gegenüber der DDR-Regierung gebunden.

Nach der Wende gründeten sich wieder Vereine und Verbände, die aktiv und innovativ ins Kulturleben eingreifen. Um die niedersorbische Sprache in die jungen Generationen zu tragen, die zu Hause oftmals nur noch durch die Großeltern Kontakt mit Niedersorbisch haben, wurde das Projekt WITAJ aufgebaut, dass bilinguale Kitas schuf und Grundschulen die Möglichkeiten eröffnete Sorbisch in den Lehrplan aufzunehmen. In Cottbus gibt es die Möglichkeit das Abitur in niedersorbischer Sprache abzulegen. Diese Bemühungen werden Schritt für Schritt erweitert.

In Leipzig gibt es an der Universität die Studiengänge B.A Sorabistik und Lehramt Sorbisch. Damit besteht die Möglichkeit sich intensiv mit der Sprache zu beschäftigen und sie weiterzugeben. In den Medien ist Niedersorbisch ebenfalls zu finden. Die Regionalen Fernseh- und Radiosender haben einige Sendungen rund um das Niedersorbische im Programm, es gibt außerdem Zeitungen und Zeitschriften für Erwachsene und Kinder.

Niedersorbisch wird, wie alle westslawischen Sprachen, in lateinischer Schrift geschrieben. Die phonologischen Besonderheiten müssen mit Hilfe von diakritischen Zeichen wie ein Hatschek (ein umgedrehtes Dach auf dem Buchstaben z.B. š) oder ein Akut (ein diagonal verlaufender Strich über dem Buchstaben z.B. ŕ) umgesetzt werden. Außerdem gibt es neben dem L [l] auch noch ein Ł [w], dass es im Polnischen, aber nicht im Deutschen gibt.

Durch die Zugehörigkeit zu der slawischen Sprachfamilie ist Niedersorbisch eine stark flektierende Sprache, was für deutsche Sorbischlernende eine echte Herausforderung darstellt. Auch die zusätzliche Numeruskategorie des Duals (Zweizahl), neben Singular und Plural, stellt eine Besonderheit dar. Den Dual gibt es im Slawischen nur in den beiden sorbischen Sprachen und im Slowenischen. Ähnlich wie im Polnischen gibt es im Niedersorbischen mehr Fälle als im Deutschen, sechs insgesamt. Der, im Polnisch schwindende Vokativ, ist im modernen Niedersorbisch nicht mehr zu finden. In der Verwendung der Fälle bestehen im Sprachdreieck Niedersorbisch-Deutsch-Polnisch einige Unterschiede. Sprecher des Polnischen können Niedersorbisch aber recht gut verstehen.

Ursprünglich herrschte die Satzgliedfolge Subjekt-Objekt-Verb (SOV) vor, aber durch den starken Sprachkontakt mit dem Deutschen ist auch Subjekt-Verb-Objekt (SVO) zumindest im mündlichen Sprachgebrauch auf dem Vormarsch. Der Wortakzent liegt im Allgemeinen auf der Silbe, wie im Tschechischen und Deutschen.

Das Deutsche hat im Laufe der Jahrhunderte deutliche Spuren im Niedersorbischen hinterlassen. Am deutlichsten wird das in der Lexik (Wortschatz), der voll mit Entlehnungen ist. Nicht immer sind sie auf den ersten Blick zu erkennen. Der Druck des Deutschen auf das Niedersorbische, vor allem im Bereich des Handwerks (mejstaŕ – Meister), der Amtssprache und religiöser Begriffe (gnada – Gnade), ist dem Umstand geschuldet, dass die Herrscher der letzten Jahrhunderte Deutsch als alleinige Sprache in ihren Machtbereichen umsetzten und Sorbisch nur innerhalb der sorbischen Gemeinschaft verwendet wurde.

Auch das Obersorbische hat durch seine größere Sprecherzahl starken Einfluss auf das Niedersorbische ausgeübt. In den letzten Jahren wird immer wieder versucht sogenannte Obersorabismen durch Neuschöpfungen aus dem Niedersorbischen Wortschatz zu revitalisieren. Nicht immer von Erfolg gekrönt, denn die Kluft zwischen den Verfechtern des „reinen“ Niedersorbisch und der Alltagssprache wird dadurch tiefer.

Die Bemühungen der Sorben um den Erhalt des Niedersorbischen und die Zeit wird zeigen, ob sich diese kleine und doch so interessante Sprache halten wird!!

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*