Polnisch – so nah, doch so unbekannt

Mit bis zu 55 Millionen Sprechern (hier sind alle Sprecher*innen mit eingerechnet) ist das Polnische die größte westslawische Sprache, in der slawischen Sprachfamilie belegt es hinter Russisch den zweiten Platz. Wie alle slawischen Sprachen stammt es aus der riesigen Sprachfamilie des Indoeuropäischen, aus dem sich das Slawische abgespalten hat.

Die slawischen Stämme, die Polnisch oder einen Dialekt davon sprachen siedelten um die Flüsse Weichsel, Warthe und Oder. Wann genau die polnische Sprache entstand kann man nicht genau sagen, aber die ersten Zeugnisse stammen aus der Zeit um 1100. Die vorherige Erwähnung der Sprache findet sich vereinzelt in Chroniken, die Missionare verfassten, wurde aber nicht überliefert. Als erstes Zeugnis gilt die Bulle von Gnesen aus dem 12. Jahrhundert, in der Namen und Ortschaften in Polnisch zu lesen sind.

Als Sprache in Literatur und Verwaltung nutze man lange Zeit das Lateinische, da das Gebiet der Westslawen mehrheitlich katholisch geprägt war. Erst ab dem 14. Jahrhundert nutzte man Polnisch als Literatursprache, Zeugnisse sind z.B. die Bogurodzica oder der Florianer Psalter.

Die ereignisreiche Geschichte Polens gipfelte 1795 in der endgültigen Teilung Polens, in dessen Zuge auch die polnische Sprache in den geteilten Gebieten zurückgedrängt wurde. Polnisch war in der Teilungszeit eher Familiensprache, denn die Verwaltung und die Schulbildung wurde von den Teilungsmächten Preußen und Russland in der jeweiligen Landessprache verpflichtend eingeführt. Galizien, als Teil des österreichischen Reiches, behielt seine Sprachautonomie weitestgehend. Nach der Gründung der Zweiten Republik 1918 wurde Polnisch als Amtssprache wieder eingeführt. In den Nachbarstaaten Polens ist Polnisch als Minderheitensprache anerkannt, einzige Ausnahme ist Deutschland.

Neben dem Standardpolnischen gibt es zahlreiche Dialektgruppen, meist in 6 Gruppen unterteilt: Schlesisch, Großpolnisch, Kleinpolnisch, Masowisch, neue Mischdialekte und das Kaschubische, wobei das Kaschubische als eigene Sprache und nicht als polnischer Dialekt anerkannt ist.

Das Polnische wird in lateinischer Schrift geschrieben, die fehlenden typisch slawischen Laute werden mit Hilfe von diakritischen Zeichen wiedergegeben und ist meist phonetisch, was Lernenden den Anfang etwas erleichtert, wenn auch nur beim Schreiben.

Wie fast alle slawischen Sprachen ist das Polnische eine stark flektierende Sprache, was deutsche Sprecher*innen zu Beginn vor Probleme stellen kann. Auch das Vorhandensein von sieben Fällen, wobei der siebte langsam schwindet, sieht im ersten Moment schlimmer aus als es ist.

Die Aussprache des Polnischen ist gewöhnungsbedürftig, man hat oft das Gefühl es würden vor allem Vokale fehlen (die Tschechisch Sprechenden werden jetzt wahrscheinlich lachend abwinken) oder jemand hat einfach nur Konsonanten beim Scrabble gezogen, aber mit ein wenig Übung klappt es schon. Versucht doch mal ‚chrząszcz‘ auszusprechen (als kleine Hilfe: das ‚ą‘ spricht man wie das ‚on‘ in Bonbon). Was jetzt so typisch Französisch klingt, ist unter den slawischen Sprachen eine polnische Besonderheit: Die Nasalvokale /ą/ und /ę/. Das Urslawische hatte ursprünglich Nasalvokale, die aber nur im Polnischen und Kaschubischen, das will ich nicht unterschlagen, erhalten geblieben sind.

Durch die enge Nachbarschaft zum Deutschen sehen wir im Polnischen zahlreiche deutsche Entlehnungen z.B. handel – Handel oder ratusz – Rathaus. Aber auch das Deutsche hat einige Begriffe übernommen: die ‘Gurke’ kommt vom Wort ‘ogórek’ und das beliebte ‘Dalli!’ von ‘dalej’ -dt. ‘weiter‘.

Trotz der geografischen Nähe zu Deutschland gilt das Polnische für die Deutschen als exotisch, zu schwer oder einfach uninteressant. Die gemeinsame Geschichte und die vielen Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Polen lassen aber immer mehr Menschen den Reiz der polnischen Sprache erkennen. Spätestens seit dem EU-Eintritt Polens 2004 und der Nutzung des Polnischen als eine der 24 Amtssprachen der EU, ist die Präsenz der polnischen Sprache innerhalb Europas und vor allem in Deutschland gestiegen.

Selbst einfachste polnische Sprachkenntnisse werden in Polen mit Begeisterung aufgenommen. Probiert es mal mit einem einfachen ‚Dzień dobry!‘, gesprochen [d͡ʑɛɲ ˈdɔbrɨ], beim nächsten Besuch in Polen! Ein Lächeln des Gegenübers ist euch sicher!

Quellen

Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002

Peter Rehder (Hrsg.): Einführung in die slavischen Sprachen. 3. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1998

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