Böhmen

Der größte Landesteil Tschechiens ist Böhmen, dessen lateinischer Name ‚Bohemia‘ sich vom Volk der Boier ableitet. Zusammen mit Mähren und Tschechisch-Schlesien bildet es heute das Gebiet der Tschechischen Republik.

Böhmen bildet etwa zwei Drittel Tschechiens und grenzt an Polen, Deutschland und Österreich. Weltweit bekannt ist Prag, die auch die Hauptstadt des ganzen Landes ist. An den Grenzen Böhmens liegen Gebirge wie der Böhmerwald, das Erzgebirge oder die Sudeten und mit der Moldau und Elbe auch zwei der größten Flüsse des Landes. Das heutige Gebiet stimmt zum Großteil mit dem historischen Böhmen überein.

Seit wann das Gebiet Böhmens besiedelt war, ist nicht exakt belegt. Man schätzt, dass die Besiedlung vor mindestens 200 000 Jahren stattfand. Siedlungen aus der Zeit 5000 Jahre v.Chr. hat man in Nordböhmen entdeckt, die verschiedenen Kulturen zuzuordnen sind. Die Region war nachweislich von verschiedenen Volksgruppen wie Kelten oder Germanen besiedelt, die Völkerwanderung brachte dort viel Bewegung hinein.

Ab dem 6. Jahrhundert siedelten nachweislich Slawen in der Region in Nachbarschaft zu anderen Gruppen wie den Germanen. Erstaunlicherweise soll der erste Herrscher ein fränkischer Kaufmann gewesen sein, so schreibt es die Fredegarchronik aus dem 7. Jahrhundert. Ob das stimmt, kann nicht genau belegt werden. In Böhmen lebten die Slawen, wie in vielen anderen Regionen, in großen Stämmen zusammen, die von jeweils einem Stammesführer regiert wurden. Immer wieder gab es zwischen ihnen Streitigkeiten.

Die Franken, die westlichen Nachbarn, überzogen die Stämme ab dem 9. Jahrhundert mit Krieg und zwangen sie zu Tributzahlungen. Das Ziel, die Slawen zu christianisieren, verfolgten die Franken bis sich die Stammesführer im Jahr 845 taufen ließen. Dabei erfolgte die Christianisierung auch von Osten über die Slawenmission von Kyrill und Method, die die östliche bzw. orthodoxe Kirche vertraten.

Als erster christlicher Fürst aus dem Geschlecht der Přemysliden, veranlasste Bořivoj I. zahlreiche Kirchenbauten und auch den Bau der Prager Burg. Die Přemysliden erweiterten ihren Einflussbereich innerhalb von 100 Jahren über ganz Böhmen. Der Enkel Bořivojs I. war Wenzel von Böhmen, der heutige Schutzpatron des Landes. Die Hauptstadt Prag entwickelte sich in dieser Zeit zu einem Zentrum für Handel und Kultur, auch Deutsche und Juden lebten zahlreich in der Stadt. Im Jahr 973 entstand der Sitz des ersten böhmischen Bistums in Prag.

Seit dem Ende des 11. Jahrhunderts war Böhmen ein Königreich, das zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte. Durch die florierende Wirtschaft, v.a. Bergbau, zogen immer mehr Siedler ins Land, sodass der Einfluss der böhmischen Herrscher immer mehr wuchs. Der Kampf um die Macht im Heiligen Römischen Reich gipfelte 1278 mit der Schlacht auf dem Marchfeld, wo Rudolf I. von Habsburg siegte. Kurz danach starb mit Wenzel III. die Dynastie der Přemysliden aus und das Haus Luxemburg übernahm die Macht.

Die Könige der Luxenburger waren an der Vergrößerung ihres Reiches interessiert, förderten aber auch Kunst und Kultur, z.B. mit Gründung der Universität in Prag (benannt nach Karl IV.). Gebiete wie Schlesien, die Lausitz oder Teile der Pfalz gehörten zur Zeit der Luxemburger zum Herrschaftsgebiet.

Ein dunkles Kapitel in der böhmischen Geschichte waren die Hussitenkriege, die 1420 begannen und als Reaktion auf die Hinrichtung von Jan Hus und die Glaubenskrise in Böhmen gelten. Die Anhänger Hus strebten eine Trennung von der katholischen Kirche an. Jahrelange Kämpfe, brachliegende Wirtschaft und Gebietsverluste waren das Ergebnis.

Ende des 15. Jahrhunderts herrschten die Jagiellonen für eine kurze Zeit in Böhmen, doch die Linie starb 1526 aus. Die dann folgende Herrschaft der Habsburger war von Kriegen geprägt. Der Zweite Prager Fenstersturz am 23.Mai 1618 löste Aufstände in Böhmen aus, die sich zum Dreißigjährigen Krieg ausweiteten. Nicht nur Kriegshandlungen, auch Hungersnöten und Seuchen dezimierten die böhmische Bevölkerung um bis zu 40%. Nach dem Krieg verblieb Böhmen bei Habsburg.

Während der Märzrevolution 1848 kam es in Prag und ganz Böhmen zu Aufständen, die jedoch schnell und blutig niedergeschlagen wurden. Trotz der Niederlage gewannen die Böhmen an Selbstbewusstsein: Sie sprachen wieder vermehrt Tschechisch (bzw. Böhmisch) statt Deutsch und träumten von einem eigenen und unabhängigen Böhmen.

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges gründete sich 1918 die Tschechoslowakische Republik, die neben Böhmen auch Mähren, Teile Schlesiens, der Slowakei und andere kleine Gebiete umfasste. 1938 wurde Böhmen von den Nationalsozialisten als Protektorat besetzt und verwaltet. Die Wiederherstellung des Staates nach 1945 war rein formal, die eigentliche Macht ging von der Sowjetunion aus. Ende 1992 trennten sich Tschechien und die Slowakei in zwei eigenständige Staaten auf, doch die kulturelle und enge sprachliche Verbindung ist bis heute zu sehen, auch wenn die Unterschiede stets betont werden.

Böhmen bildet für die Tschechen das Herz ihrer Geschichte. Die Gründungsgeschichte der tschechischen Nation am Berg Říp im Norden Böhmens kennt in Tschechien jedes Kind.

Die Begriffe ‚Böhmen‘ und ‚Tschechien‘ werden in Quellen manchmal synomyn verwendet, sind jedoch immer kontext- und sprachabhängig. Als ‚böhmisch‘ wird z.B. die tschechische Sprache bezeichnet, wenn es in einem historischen Kontext, d.h. um Alttschechisch, steht.

Das Wappen Böhmens zeigt den Böhmischen Löwe in Silber mit doppeltem Schwanz und goldener Blätterkrone auf rotem Grund.

Quellen

Bahlcke, Joachim. Geschichte Tschechiens. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Beck, München 2014

Rill, Bernd. Böhmen und Mähren – Geschichte im Herzen Mitteleuropas. Katz, Gernsbach 2006

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