Obersorbisch

Die Sorben siedeln seit Jahrhunderten im heutigen Sachsen und Brandenburg. Es gibt zwei sorbische Schriftsprachen (Obersorbisch und Niedersorbisch), die als anerkannte Minderheitensprachen in Deutschland seit Ende der 90er Jahre geschützt. Die Ähnlichkeit beider Sprachen ist groß, sodass viele denken es seien zwei Varianten der gleichen Standardsprache.

In Sachsen, genauer in der Oberlausitz, wird von etwa 20.000 Menschen Obersorbisch gesprochen. Es ist eine westslawische Sprache, die mit Niedersorbisch, Polnisch, Tschechisch und Slowakisch verwandt ist. Durch die Mischung des slawischen und germanische Sprachgebietes im Osten des heutigen Deutschlands lassen sich im Obersorbischen viele deutsche Einflüsse u.a. im Wortschatz erkennen. Außerdem sind alle Sorben zweisprachig. Das liegt einerseits an der historischen Sprachenpolitik, Sorben waren ohne Deutschkenntnisse oft von Zünften oder Universitäten ausgeschlossen, und an der in Deutschland herrschen Schulpflicht, sodass Kinder aus sorbischen Familien spätestens in der Schule immer deutsch lernen. Einsprachige sorbische Kinder gibt es aber nicht mehr. Diese Zweisprachigkeit ist heute zwar gewünscht, drängt das Sorbische aber in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in den Hintergrund. Obersorbisch ist deshalb schon lange eine gefährdete Sprache, deren Erhalt eine wichtige Aufgabe des deutschen Staates und Sachsens darstellt.

Die kulturellen Zentren der Obersorben sind Bautzen (Budyšin), Kamenz (Kamjenc) und Hoyerswerda (Wojerecy). In diesem Dreieck wird das Sorbische sehr gepflegt und bewahrt. Doch immer mehr Menschen sprechen zu Hause kaum noch Obersorbisch und geben es dann auch nicht an ihre Kinder weiter. So verkleinert sich der Kreis der Sprecher*innen mit jeder Generation.

Laut der Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen haben Sorben das Recht ihre Sprache nicht nur zu sprechen, sondern auch in der Schule zu lernen. Es gibt an vielen Schulen in Sachsen Obersorbisch als Fremd- und Unterrichtssprache, auch das Abitur kann in Obersorbisch abgelegt werden. In Leipzig (und ganz neu in Dresden) kann man Sorabistik studieren, jedoch ist dieses Fach sehr klein genauso wie die Studierendenzahlen. Vor allem im Bereich Bildung werden viele Fachkräfte mit Sprach- und Fachkenntnissen gesucht z.B. Lehrer*innen, Erzieher*innen etc. gesucht. Sachsen fördert den Erhalt der sorbischen Sprache und Kultur, nicht nur im Bildungsbereich. Wie in der Niederlausitz sind auch in der Oberlausitz die Straßenschilder, Wegweiser oder Beschriftungen an Ämtern zweisprachig. Die Sichtbarkeit der Sprache ist eine der wichtigsten Punkte beim Spracherhalt. Das Sprachprestige ist durch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gestiegen. Die Sorben sind stolz auf ihre Sprache, feiern ihre Bräuche und sind bekannt für ihre Trachten, Sagen und Legenden.

Obersorbisch wird in lateinischer Schrift geschrieben, ergänzt um einige diakritische Zeichen z.B. Hatschek oder Akut für die typisch slawischen Laute. Die Schreibung ist erst seit dem 19. Jahrhundert standardisiert u.a. wegen der Bemühungen von Jan Arnošt Smoler und Handrij Zejler. Die Schreibung zeigt Einflüsse des Tschechischen, was nicht verwundert. Die Tschechen waren schon immer Freunde der Sorben, sprachlich wie politisch.

Wie (fast) alle slawischen Sprachen ist das Obersorbische eine stark flektierende Sprache. Neben den sieben Kasus hat es drei Numeri (der Dual wird aber oft durch den Plural ersetzt) und drei Genera. Die Verben kommen als Aspektpaar vor, für Deutschmuttersprachler*innen definitiv ein Novum, denn das gibt es in der Art nicht im Deutschen. Die Wortstellung ist weniger streng als im Deutschen, vor allem die Verbstellung. Ursprünglich war die Wortstellung Subjekt-Objekt-Verb, aber u.a. der Kontakt mit dem Deutschen sorgt für eine mittlerweile akzeptierte Subjekt-Verb-Objekt-Stellung, vor allem im mündlichen Sprachgebrauch. Sprachpuristen sehen in dem deutschen Einfluss eine Gefahr für das Obersorbische. Schon im 19. Jahrhundert versuchten sorbische Linguisten diesem Einfluss u.a. durch slawische bzw. tschechische Einflüsse „auszubessern“. Daher sieht man im obersorbischen Wortschatz mehr tschechische Entlehnungen als im niedersorbischen. In letzter Zeit steigt der Anteil von Anglizismen an, wie in fast allen Sprachen Europas.

Wie im Niedersorbischen besitzt auch das Obersorbische einige, oft schon ausgestorbene, Dialekte. In den Schulen wird die Standardsprache gelehrt. Sorbische Dialekte werden nur innerhalb der Familien oder in speziellen Kursen weitergegeben.

Quelle

Kunze, Peter.  Kurze Geschichte der Sorben. Ein kulturhistorischer Überblick. 5. Auflage, Domowina Verlag, Bautzen 2017

Lewaszkiewicz, Tadeusz. Obersorbisch. In: Miloš Okuka (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens. Wieser, Klagenfurt 2002.

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