Sorbische Dialekte

Jede Sprache besitzt Dialekte, egal wie klein sie ist. Das Sorbische besitzt zahlreiche Dialekte, die sich in einem Dialektkontinuum vom Niedersorbischen zum Obersorbischen verbinden. Zwischen ihnen befinden sich sogenannte Übergangsdialekte, die Merkmale beider Standardsprachen beinhalten.

Das Siedlungsgebiet der Sorben ist in den letzten Jahrhunderten immer weiter geschrumpft, genauso wie die Zahl der Sprecher*innen des Sorbischen. Davon sind insbesondere die Dialekte betroffen, die zudem auch kaum dokumentiert oder verschriftlicht sind. Sterben die Sprecher*innen des Dialektes, stirbt auch der Dialekt. Bis in die 1920er Jahre sprachen fast alle Sorben Sorbisch als Muttersprache, viele davon als Dialekt. Die Sprache wurde zur Zeit des Nationalsozialismus verboten und so erlernten viele sorbische Kinder ihre Muttersprache oft nur unzureichend. Auch der Schutzstatus, den es in der DDR für die Sorben gab, half kaum den Schwund der Dialekte aufzuhalten. Mittlerweile sind alle Sorben zweisprachig, in der Schule lernen sie nur eine der beiden Standardsprachen.

Zwar sind die beiden Standardsprachen Ober- und Niedersorbisch auch sehr stark gefährdet, werden aber in Kitas, Schulen und einer Universität gelehrt und in den Medien genutzt. Sorbische Dialekte sind jedoch fast nur im familiären Umfeld zu finden.

Das Hauptunterscheidungsmerkmal der Dialekte ist die Aussprache. Die Grammatik orientiert sich an einer der beiden Standardsprachen, vereinzelt findet man aber anderen Wortschatz.

Im Dialektkontinuum gliedert sich in drei Gruppen, die den Orten benannt sind, an denen sie hauptsächlich gesprochen werden. Zu den niedersorbischen Dialekten gehören der Vetschauer Dialekt, der westliche und östliche Cottbusser Dialekt. Die obersorbischen Dialekte umfassen den Bautzner Dialekt, den Katholischen Dialekt, zwei Heide Dialekte, den Oßlinger Dialekt und den Wittichenauer Dialekt.

In die Einteilung der Übergangs- oder Grenzdialekte fallen Dialekte, die sich nicht genau einer der beiden Standardsprachen zuordnen lassen. Dies ist zum Teil auch historisch bedingt, denn die Ober- und Niederlausitz waren oftmals Teile zweier Staaten (ab 1815 Sachsen und Preußen).

Zu den Übergangsdialekten gehören zwei Spremberger Dialekte, der Großkoschener Dialekt, der Hoyerswerdaer Dialekt, der Spreewitzer Dialekt, der Schleifer Dialekt, der Nochtener Dialekt und der Muskauer Dialekt. Das ist nur eine grobe Einteilung der sorbischen Dialekte und es gibt keine genauen Informationen wie viele Menschen welchen Dialekt sprechen. Einige Sprachwissenschaftler sind der Meinung, dass manche Dialekte so große Differenzen zu den beiden Standardsprachen aufweisen, um schon eine dritte sorbische Sprache zu sein. Andere weisen diese Einteilung als falsch zurück. Das Problem bei diesen Klassifizierungen ist, dass die Übergänge sehr fließend sind. Es fehlen für viele Dialekte schriftliche Dokumentationen und außerdem ist die Mehrheit der Dialekte ausgestorben.

Eine Besonderheit weist der Schleifer Dialekt auf, denn obwohl von ihm keine Schriftsprache existiert, gibt es schriftliche Aufzeichnungen von einem Bauer aus Rohne, Hanzo Njepila (dt. Hanso Nepila, 1766 – 1856). Er schrieb Tagebuch, einige Teile davon sind erhalten geblieben, wurden veröffentlicht („Šycko som how napisał./Im Kämmerlein hab ich geschrieben.“) und sind ein wertvoller Forschungsgegenstand für Sprachwissenschaftler und Historiker. Vorsichtige Schätzungen gehen aktuell von 20-30 Sprecher*innen des Schleifer Dialektes aus.

Die Forschung im Bereich der sorbischen Dialekte wird den Schwund der letzten verbliebenen Dialekte wahrscheinlich nicht aufhalten können. Doch ist die Dokumentation und Erhaltung der letzten lebenden Dialekte ein Schritt die sorbische Sprache und Kultur sichtbarer und für nachfolgende Generation erfahrbar zu machen!

Quelle

Norberg, Madlena Norberg: Sind die sorbische/wendische Sprache und Identität noch zu retten? In: Sammelband zur sorbischen/wendischen Kultur und Identität. Univ.-Verlag, Potsdam 2008

Ein Artikel von Sonja Wölkowa: https://www.sorabicon.de/kulturlexikon/artikel/prov_uyw_lgj_d3b/

Bildquelle

Von NordNordWest – Eigenes WerkHinc Šewc: Gramatika hornjoserbskeje rěče, 1. zwjazk. Ludowe nakładnistwo Domowina Budyšin, 1968, S. 251, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=19779213

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