Interslawisch – eine slawische Plansprache

Neben der weltweit bekannten Plansprache Esperanto gibt es für alle Sprachfamilien entwickelte Plansprachen. Im slawischen Sprachraum entstand 2006 unter der Führung des niederländischen Sprachwissenschaftler Jan van Steenbergen die slawische Plansprache Slovianski, heute Medžuslovjansky, dt. Interslawisch. Das Ziel dieser Plansprache ist die verbesserte Verständigung von Sprechern slawischer Sprachen und einen erleichterten Einstieg in slawische Sprachen für Sprecher anderer Sprachen.

Interslawisch ist eine naturalistische Plansprache, das klingt im ersten Moment paradox, aber alle Elemente sind aus slawischen Sprachen entnommen, was es den Sprechern ermöglicht auf ihre Muttersprache beim Erschließen zurückzugreifen. Bei anderen slawischen Plansprachen wie z.B. Slovio sind die Sprachelemente mit künstlichen Anteilen versehen, was die Verständigung schwerer macht.

Interslawisch greift vor allem auf den gemeinsamen Ursprung der slawischen Sprachen zurück, das Altkirchenslawische. Dadurch können Sprecher slawischer Sprachen meist problemlos verständigen. Die sprachlichen Besonderheiten jeder slawischen Sprache versucht man zu vermeiden, um auf den größtmöglichen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Die Sprecherzahlen des Interslawischen variieren, man geht von etwa 2000 aus, es gibt aber keine offiziellen Zahlen. Viele Interessierte sprechen die Sprache nicht, können sie aber lesen und verstehen. Das Besondere ist auch, dass man Interslawisch sowohl in lateinischer als auch in kyrillischer Schrift schreiben kann. Dieser Punkt ist sehr wichtig, weil die slawischen Sprachen in sich selbst nicht einfach in der Schrift wechseln können, mit Ausnahme des Serbischen.

Um eine möglichst reibungslose Verständigung zu erreichen, muss man bei der Entwicklung einer Sprache viele Parameter beachten. Als erstes und für die meisten der wichtigste Punkt ist der Wortschatz. Es ist ein Querschnitt fast aller slawischen Sprachen

Allen Plansprachen weisen eine strukturelle Vereinfachung der Grammatik als Charakteristikum auf, denn die Erlernbarkeit hängt stark von den Gemeinsamkeiten ab, Unterschiede werden also eher ausgeklammert. Auch für Sprecher anderer Sprachfamilien erleichtert es den Einstieg ins Slawische. Wer sich schon mal mit den komplexen Paradigmen der verschiedenen slawischen Sprachen beschäftigt hat, weiß wovon ich spreche. Beim Interslawischen gibt es eine gewisse Reduktion der komplexen Strukturen, aber wichtiger ist die Regelhaftigkeit der Grammatik und die Vermeidung von Ausnahmen, die in allen Sprachen vorkommen und meist sprachspezifisch sind.

Typisch slawische phonologische Merkmale wie Palatalität bleiben im Interslawischen erhalten, auch wenn manche Basissprachen diese Unterscheidung weniger stark zeigen. Die Entwickler gehen davon aus, dass das Grundverständnis der Palatalität allen Sprechern slawischer Sprachen vertraut ist.

Die Orthografie ist weitestgehend phonetisch, also jedes Phonem soll einem Graphem entsprechen, vergleichbar mit der Orthografie des Esperantos.

Wer verschiedene slawische Sprachen spricht, kennt das Problem des Wortakzents, der innerhalb der Sprachen nicht einheitlich ist. Beim Interslawisch ist der Akzent freier als bei anderen slawischen Plansprachen, unterliegt aber trotzdem bestimmten Regeln z.B. liegt der Akzent auf dem Wortstamm, nicht auf Präfixen oder Flexionsendungen.

Die morphologischen Aspekte des Interslawisch lehnen sich stark an die Ursprungssprachen an. Für die Wortbildung gibt Derivation, aber so gut wie keine Komposition (ist in den slawischen Sprachen selten zu sehen).

Interslawisch besitzt 6 Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental und Lokativ), wie die meisten Slawinen. Die Kasusendungen werden regelhaft und eindeutig gestaltet. Im Fall der Kategorie Numerus wird ebenfalls vereinfacht, d.h. der Dual kommt nicht vor, es gibt nur Singular und Plural. Beim Genus sieht man maskulin, feminin und neutrum die Endungen sind wieder regelhaft z.B. enden maskuline Substantive auf einem harten Konsonanten, feminin auf -a oder weichen Konsonanten und die Neutra auf -o oder-e.

Van Steenbergen beschreibt den schwierigsten Teil der slawischen Sprachen mit dem Verbalaspekt, der Lernenden des Slawischen gerne in den Wahnsinn treibt. Das übliche Vorkommen perfektiver und imperfektiver Verben als Paar zeigt sich auch im Interslawisch, was für Sprecher slawischer Sprachen ganz natürlich ist, Neulernenden aber sichtlich Probleme bereitet. Erleichternd ist die Verwendung von nur drei Tempusformen (Präsens, Perfekt und Futur).

Die Wortstellung des Interslawischen ist nicht so frei wie man es aus den slawischen Sprachen kennt, obwohl es durch das Kasussystem möglich wäre. Van Steenbergen legt eine SVO-Stellung fest.

Betrachtet man alle Aspekte des Interslawischen im Vergleich zu den slawischen Sprachen, zeigt sich eine sichtbare Annäherung ans Slowenische und eine Distanz zu den ostslawischen Sprachen. Vielleicht liegt es daran, dass das Altkirchenslawische, das die Grundlage für das Interslawische bildet, im Slowenischen noch gut erhalten ist.

Nun könnte man sich fragen ob es sinnvoll ist statt einer natürlichen Slawine lieber eine Plansprache zu lernen? Ein Vorteil des Interslawischen ist offensichtlich die große Wiedererkennbarkeit für alle Sprecher des Slawischen und der vereinfachte Zugang eines Sprechers einer nichtslawischen Sprache. Ein Nachteil ist ebenso offensichtlich: Die Sprecherzahl des Interslawischen ist sehr gering, während z.B. Ukrainisch ca. 40 Mio. Sprecher hat. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit jemanden zu finden, der Interslawisch spricht anstatt Ukrainisch? Zwischen Slawischsprechern können einige Transferstrategien schon zur Verständigung beitragen, ohne eine Plansprache nutzen zu müssen. Trotzdem ist die Idee einer verbindenden Sprache interessant, wenn auch nur theoretisch relevant.

Quellen

Barandovská-Frank, Věra (2011). Panslawische Variationen. Florilegium Interlinguisticum. Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main

Meyer, Anna-Maria (2016). Slavic constructed languages in the internet age. Language Problems & Language Planning, vol. 40 no. 3, University of Bamberg Press Bamberg 2014

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