Die polnischen Dialekte

Die polnische Sprache und ihre Dialekte sind im geschichtlichen Kontext hochinteressant. Nicht nur, dass es den Staat Polen zwischenzeitlich nicht gab und in einigen Teilen des geteilten Gebietes Polnisch nicht als Verkehrs- und Verwaltungssprache erlaubt war, sondern auch die territorialen Verschiebungen, die den polnischen Staat bis heute formten.

Dass eine Sprache Dialekte besitzt, ist an sich nichts Besonderes. Dialekte sind Sprachvarietäten, die sich in einem räumlichen Kontinuum einer Sprache befinden. Sie weisen z.B. lautliche oder morphologische Unterschiede auf, die aber meist von (allen) Sprecher*innen der jeweiligen Sprache verstanden werden. Ausnahmen gibt’s immer!

Im Fall der polnischen Dialekte wird die Einteilung durch bestimmte sprachliche Merkmale klassifiziert. Einige wichtige sind: Das Masurieren, d.h. das Fehlern der Konsonantenreihe /ʃ,ʒ,t͡ʃ und d͡ʒ/, die als /s,z,t͡s und d͡z/ ausgesprochen werden, die fehlende Auslautverhärtung, Vokalverengung und Aussprache der Nasalvokale.

Eine grobe Einteilung der polnischen Dialekte erfolgt in fünf große Dialektgruppen, mit vielen Untergruppen. Das Vorkommen und die wichtigsten Merkmale jedes Dialektes sind hier zusammengefasst.

Die großpolnischen Dialekte (wielkopolski) gehen auf den Stamm der Polanen zurück, im Gebiet der nördlichen und mittleren Weichsel. sie zeigen kein Masurieren, keine Auslautverhärtung, eine Standardaussprache der Nasalvokale und die Existenz von Diphthonge.

Die kleinpolnischen Dialekte (małopolski) auf dem ehemaligen Gebiet der Wislanen im südlichen Weichselgebiet weisen das Masurieren, eine fehlende Auslautverhärtung, das auslautende /χ/ statt /k/ realisiert z.B. [grɔk] statt [grɔχ], lange und kurze Vokale und verschiedene Varietäten von Nasalvokalen als Merkmale auf.

Die masowischen Dialekte (mazowiecki) im ehemaliges Gebiet der Masowier und Masuren im mittleren Weichselgebiet zeigen u.a. das Masurieren, die Auslautverhärtung wie im Standardpolnischen, eine asynchrone Aussprache der palatalen Labiale und Unterschiede in der Morphologie.

Die schlesischen Dialekte (sląski) von den Stämmen der Slensanen kommend, werden oft als Dialekt zwischen dem Groß- und Kleinpolnischen verortet und haben neben der Existenz von Diphthongen, dem Masurieren, fehlender Auslautverhärtung, der Aussprache von  /ʃ/ statt [ʒ] und des Nasalvokals /ɛ̃/ als /a/ z.B. [viʒa ta baba] (widzę tę babę) noch viele germanische Entlehnungen integriert.

Das Kaschubische (kaszubski) geht auf die Pomoranen zurück, die im Raum Danzig und südwestlich davon lebten. Es zeigt besonders viele Unterschiede und kann nicht von allen Polnischsprecher*innen ohne Probleme verstanden werden. Der Status als eigene Sprache wird von einigen Linguist*innen nicht akzeptiert, aber in Polen als Minderheitensprache anerkannt.

Die neuen gemischten Dialekte (nowe mieszane) die vor allen im Westen, Osten und Nordosten zu finden sind, gehen auf historische Ereignisse z.B. der Westverschiebung der polnischen Grenzen und Verlust der ‚Kresy‘, der polnischen Ostgebiete, nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Auch in den Gebieten, in den Polnisch als Minderheiten- oder Regionalsprache anerkannt ist wie z.B. Litauen oder Rumänien, gibt es Dialekt, die sich durch die Begrenzung des Sprachgebietes erhalten.

Die Verwendung der polnischen Dialekte wurde schon früh, die Festsetzung einer polnischen Rechtschreibung fand im 13. Jahrhundert statt, mit niedriger Bildung und den einfachen Leuten gleichgesetzt, während sich die Elite dadurch auszeichnen wollte die polnische Hochsprache zu sprechen. In der heutigen Zeit, in der Dialekte durch die Standardsprache und die Mobilität bzw. Globalisierung zu schrumpfen scheinen, sind sie mehr als ein Zeichen von Heimat und Identität. Sie stellen für die Sprachwissenschaft ein interessantes Forschungsgebiet dar, denn sie zeigen ein buntes Bild der Sprache. Erschwerend kommt leider hinzu, dass viele Dialekte nur mündlich verwendet bzw. weitergegeben werden und dadurch verstärkt zu verschwinden drohen. Die heutige Technik erlaubt zum Glück die Sammlung großer Datenmengen, sowohl Audioaufnahmen als auch in Form von Transkriptionen.

Die Sprachpolitik Polens, die kleinere Sprachen und Dialekte nur duldet, aber nicht aktiv fördert (mit Ausnahme des Kaschubischen), trägt kaum zur Aufwertung und Erhalt bei. Damit bleiben die Dialekte oft nur das Kommunikationsmittel innerhalb von Familien oder Freunden. Erfreulicherweise sehen viele Menschen in ihren Dialekten auch ein kulturelles Erbe, dass ebenso wie Traditionen, Trachten u.a. offen und selbstbewusst gezeigt wird. Wenn die Identifikation mit einem Dialekt an die nächsten Generationen weitergegeben wird, kann die sprachliche Vielfalt erhalten werden.

Denn nicht nur religiöse oder sexuelle Vielfalt, sondern auch sprachliche schaffen Raum für Verständigung und ein friedliches Zusammenleben.

Quellen

http://www.dialektologia.uw.edu.pl/index.php

Miloš Okuka, Gerald Krenn (Hrsg.): Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens (= Wieser-Enzyklopädie des europäischen Ostens. Band 10) Polnisch. Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec 2002,

Bildquelle

Von Aotearoa – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11836448

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*