Menschen sind visuell geprägte Wesen. Wir nehmen unsere Umgebung zwar mit allen Sinnen wahr, also auch durch Hören, Schmecken, Fühlen und Riechen, aber die visuelle Wahrnehmung ist dominant. Dabei sind wir in der Lage verschiedenste Eindrücke zu klassifizieren: hell-dunkel, farbig, Schattierungen usw.
Farben sind von entscheidender Bedeutung. In der frühsten Zeit konnten die Menschen an der Farbe der Pflanzen beurteilen, ob sie reif oder vielleicht sogar giftig war usw. Die in der Natur vorkommenden Farben hat der Mensch mit seiner Weiterentwicklung schrittweise erhöht. Er lernte Farben z.B. aus Pflanzen oder Insekten zu gewinnen, um Stoffe zu färben oder Farben für Höhlenmalereien herzustellen. Den Farben sprach der Mensch schon früh eine Bedeutung zu, verwendete für bestimmte Motive nur bestimmte Farben oder man konnte an der Farbe der Kleidung den Rang des Gruppenmitgliedes erkennen.
Das deutsche Wort ‚Farbe‘ kommt vom mittelhochdeutschen ‚varwe‘ und ist ein Überbegriff mit allerlei Bedeutungen wie die Wandfarbe oder die einzelnen Farben des Lichtes.
Im sprachlichen Sinn ist das Spektrum des Begriffes ‚Farbe‘ riesengroß. Jede Sprache kennt Bezeichnungen für Farben, aber es gibt unzählige Abstufungen und unterschiedlich viele Begriffe pro Sprache.
Dabei zeigen sich Hierarchien, in denen Sprachen ihre Farben ausdrücken. Mit einem Schema lässt sich das so darstellen:
Weiß/Schwarz < Rot < Grün/Gelb < Blau < Braun < Lila/Rosa/Orange/Grau
Wenn also eine Sprache Farben sprachlich unterteilt, dann zumeist in diesen Abstufungen. Ein anderes System der Klassifizierung ist die Einteilung in warme und kalte Farben.
Warm sind Weiß, Gelb und Rot (plus Farben, die sich aus deren Mischungen ergeben); kalt sind Schwarz, Blau und Grün (plus Mischungen). Dabei müssen nicht für alle Farben begriffe vorhanden sein bzw. werden Begriffe für nicht vorhandene Farben oft von Gegenständen abgeleitet z. B. die Orange→ orange.
Interessanterweise unterscheiden manche Sprachen, vor allem asiatische, nicht zwischen Blau und Grün, was zu Verwirrungen führen kann. Die Unterscheidung Blau-Grün ist hierarchisch gesehen eine der letzten durchgeführten Differenzierungen der Kalt-Warm-Einteilung. Es gibt in der Forschung verschiedene Ansichten zu den Ursachen solcher Nichtunterscheidungen. Manche argumentieren, dass durch die fehlende sprachliche Differenzierung eine veränderte Wahrnehmung dazu führt, dass Sprecher solcher Sprachen den Unterschied auch nicht visuell wahrnehmen. Doch Studien haben gezeigt, dass Sprecher einer nichtdifferenzierenden Sprache die Unterschiede wahrnehmen, wenn sie eine Sprache erlernen, die solche Unterschiede der Farben macht. Es wäre ja sonst anzunehmen, dass die Hirnstrukturen der Sprecher unterschiedlich seien, was nachweislich nicht der Fall ist, sondern lediglich ein Lernmechanismus unterschiedlich stattfindet.
Die Geschichte zeigt, dass in unserem Leben Farben eine immer wichtigere Rolle spielen. Früher waren nur Farbbezeichnungen der Lebensumgebung gefragt, aber je weiter der Mensch in andere Gebiete vordrang bzw. neue Techniken zur Gewinnung von Farbpigmenten entwickelte, desto mehr Bezeichnungen für Farben mussten her.
Dabei kommen entweder neue Wortschöpfungen zustande oder man klassifiziert die Abstufungen nach hell bzw. dunkel. Im Deutschen lässt sich das beispielsweise sehr produktiv gestalten, von rot zu hellrot oder vielleicht dunkelorange. Die Wahrnehmung jedes Einzelnen ist dabei unterschiedlich. Wann ist ein Rotton hell, wann dunkel oder einfach nur Rot?
Farben sind aber nicht nur Geschmackssache, meine Lieblingsfarbe ist Grün, sondern tragen auch kulturelle Bedeutung. Grün wird beispielsweise mit der Natur und Wachstum assoziiert, Blau ist traditionell die Farbe des Wassers, des Himmels, des Vertrauens und des Friedens. Diese Liste ließe sich mit allen Farben unendlich fortsetzen.
Je nach Kontext ordnen wir den Farben Eigenschaften wie männlich und weiblich zu, man bedenke die Farbauswahl beim Babykleidungskauf.
Auch die Religionen nutzen Farben zur Verstärkung: Die Farbe Grün symbolisiert den Islam, deshalb ist in den meisten Flaggen muslimischer Länder Grün enthalten.
Attribute wie Stärke und Kampfgeist assoziiert man mit Rot, genauso wie Revolution, was erklärt warum in der Sowjetunion Rot die wichtigste Farbe war.
Das ambivalenteste ‚Farbpaar‘ ist sicherlich Schwarz-Weiß. Die Bedeutungen dieser beiden ist je nach Kulturkreis verschieden. In Europa ist Weiß die Farbe der Reinheit, des Friedens, der Jungfräulichkeit, was vor allem mit den Lehren der christlichen Kirche zu tun hat. Andererseits steht Weiß aber in vielen asiatischen Kulturen für Trauer, Alter und Tod.
Schwarz wiederum ist in den meisten Kulturkreisen negativ belegt. Es steht für Tod, Trauer, Schmerz und das Unbekannte. Interessanterweise war schwarze Kleidung für viele Berufe vorgeschrieben z.B. bei Militär oder auch Priestern. Die christliche Lehre assoziiert Schwarz allgemein mit dem Bösen, schwarzer Magie und dem Teufel. Ein typischer Begriff ist der ‚schwarze Tod‘ als Synonym für die Pest.
Farben wecken in uns Emotionen hervor, je nach Prägung erinnern sie uns an Erlebnisse oder Geschichten. Diese Verbindung der Farben zu unseren Emotionen lassen sich bestens zu Werbezwecken nutzen. Die weiße Wäsche, die auf einer satten grünen Wiese baumelt oder das rosa Puppenhaus, das die Herzen aller kleinen Mädchen höherschlagen lässt. Ja, die Stereotypen werden in der Werbung mehr als bedient!
Auch im politischen Sinne symbolisieren Farben bestimmte Ansichten. Jede Partei hat sich eine Farbe als Erkennungsmerkmal „gesucht“, die meist im historischen Kontext entstand, z.B. Schwarz für eine christliche Ausrichtung, Rot für die Arbeiterparteien usw.
Dabei ist es wichtig zu betonen, dass sich die Verwendung von Farben im Laufe der Zeit stark gewandelt hat. Rot war vor einigen hundert Jahren die Farbe der Herrschenden und des Klerus, während Schwarz im 20. Jahrhundert auch die Verbindung zu faschistischen und nationalsozialistischen Machthabern besaß.
Die Nutzung von Farbbezeichnungen für Menschen z.B. Rot für die indigenen Völker Amerikas zeigt die Klassifizierung der ‚Weißen‘ für Menschen unterschiedlicher Hautfarbe als Teil der Rassentheorien. Heute sind solche Bezeichnungen zwar noch im Sprachgebrauch vorhanden, werden aber als nicht angemessen angesehen und von vielen abgelehnt.
Nicht umsonst ist die Regenbogenfahne das Zeichen der Toleranz von vielen Strömungen genutzt, denn sie vereint alle Farben und steht für Frieden und Gleichheit aller Menschen!
Quellen:
Braem,Harald. Die Macht der Farben. Langen/Müller. München 2003
Knuf, Joachim. Unsere Welt der Farben. DuMont-Taschenbücher. Köln 1988
WALS, Paul Kay & Luisa Maffi