Eine Sprache lebt meist nicht nur in gesprochener Form, mit ihr schafft eine Sprecher*innengruppe eine Identität in geschriebener Form. Oft genug entwickelt sich erst mit dem Schrifttum eine Standardsprache. Ein gutes Beispiel ist das Kaschubische, das seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Bühne der europäischen Literaturen unsicher macht. Ein Meisterwerk der kaschubischen Literatur erschien ab 1935: Żëcé i przigòdë Remùsa (dt. Das abenteuerliche Leben des Remus).
Der Roman wurde von dem bekannten Kaschuben Aleksander Majkòwsczi (polnisch Majkowski) verfasst, der in Berlin und Greifwald lebte und studierte. Neben seiner Tätigkeit als Arzt schrieb er für verschiedene Zeitungen, ausschließlich in kaschubischer Sprache. Im Ersten Weltkrieg entstanden die ersten Entwürfe für Majkòwsczis Roman als Einträge in sein Tagebuch. Nach dem Krieg erschienen Teile des Romans bei der kaschubischsprachigen Zeitung ‚Gryf‘.
Ab 1935 veröffentlichte er den ersten Teil seines Romanes. Das Erscheinen des ganzen Werkes 1938 erlebte Aleksander Majkòwsczi nicht mehr, er starb wenige Monate vorher. Die ersten Übersetzungen ins Polnische, Deutsche und Französische machten den Roman über die Grenzen der Kaschubei bekannt.
Der Roman spielt Ende des 19. Jahrhunderts als Polen schon fast einhundert Jahre nicht mehr auf der Landkarte zu sehen war. Im ersten Teil des Romans ist Remus, die Hauptfigur, noch ein kleiner Junge. Er ist Waise, lebt bei Bauern und unterscheidet sich von anderen Kindern. Er sieht Dinge, träumt von Gottheiten. Als junger Mann wandert er, im zweiten Teil, durch die Kaschubei, begegnet Menschen und Teufeln. Als Ritter tritt Remus im dritten Teil gegen andere Ritter und Götter an. Immer wieder ist er auf der Suche nach Kaschuben, die für ihre Heimat kämpfen. Die Menschen, denen er begegnet, sind teilweise historisch belegt. Auch wenn Majkowski manche Figuren etwas abwandelt, sind sie wiederzuerkennen.
Seit der ersten Veröffentlichung erschienen mehrere Auflagen mit teilweise neuen, noch unbekannten Abschnitten, sowie Erläuterungen zum Werk. Sogar eine Hörbuchfassung entstand, die zweisprachig aufgenommen wurde. Neben Verlagen interessiert sich auch das Theater für das Buch. Nach erfolgreicher Inszenierung in den 1980er Jahren folgten Verfilmungen. Noch heute gehört ‚Das abenteuerliche Leben des Remus‘ zum Repertoire vieler Theater Polens, besonders in der Kaschubei.
Quellen
Bömelburg, Hans-Jürgen. Grenzüberschreitende kaschubische Biographien mit schmaler zeitgenössischer Resonanz: Gulgowski, Lorentz und Majkowski. Nationale und interkulturelle Ursachen. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Osteuropas. 2009
Daniel Kalinowski. „Remus” teatralizowany. Z problemów inscenizacji i poetyki. „Acta Cassubiana, Tom XIII”, 2011. Instytut Kaszubski
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