Sprachinseln – ein weltweites Phänomen

Wer jetzt an ein Urlaubsparadies mit angeschlossener Sprachschule denkt… leider falsch!!!

Sprachinseln sind kleine Sprechergemeinschaften, die sich in einem anderen Sprachgebiet befinden. Sie stellen im jeweiligen Gebiet eine sprachliche Minderheit dar und haben oftmals wenig Kontakt zu ihrem ursprünglichen Kernsprachgebiet. Außerdem sind die Sprachinseln eine in sich abgeschlossenen Gemeinschaft. Dabei gilt allgemein die Bedingung, dass die Sprache im Kernland noch gesprochen wird. Für das Deutsche gibt es zahlreiche Beispiele, ein prominentes ist die sehr aktive Sprachinsel in Namibia.

Die Entwicklung von Sprachinsel kann unterschiedliche Ursachen haben.

Häufig entstehen sie, wenn Menschen in größeren Gruppen in andere Länder auswandern oder sich im Zielland bewusst zusammenschließen. Die Gründe für die Auswanderung sind oft religiöser Natur. Verfolgung in der Heimat zwang die Menschen in Zeiten der religiösen Unruhen ein „toleranteres“ Land zu suchen, in dem sie Religionsfreiheit genießen. Die Mennoniten oder die Amische in den USA sind beispielsweise solche Gemeinschaften, die im 18.Jahrhundert nach Amerika emigrierten, um Verfolgung und Diskriminierung aufgrund ihres Glaubens zu entgehen. Ihr Leben ist meist recht isoliert, anderssprachige Menschen bzw. Andersgläubige, werden kaum in bestehende Gemeinschaften aufgenommen. So wird die Weitergabe der Sprache und Kultur sichergestellt. Auch fremde Spracheinflüsse der Umgebung (z.B Englisch in den USA) können so geringgehalten werden. Die Weitergabe der „Gemeinschaftsmuttersprache und -kultur“ hat oberste Priorität.

Eine wichtige Rolle als Entstehungsfaktoren von Sprachinseln spielt die Kolonisierung der europäischen Nationen, die sich fremde Gebiete einverleibt haben und dadurch ihre Sprachen und Kulturen verbreiteten. Die Kolonialherren brauchten in den besetzen Gebieten eine funktionierende Verwaltung und Infrastruktur, die wie die des Mutterlandes aufgebaut war und von Beamten geführt wurde, die sich kaum die Mühe machten, die ortsüblichen Sprachen zu verwenden.

Obwohl heutzutage die ehemaligen Kolonien unabhängig sind, sind einige sprachliche Relikte aus dieser Zeit noch sichtbar. Neben den vielen Amtssprachen der heute unabhängigen Staaten, ist oft auch die Sprache der Besatzer erhalten geblieben (z.B. Französisch in Afrika oder Spanisch bzw. Portugiesisch in Südamerika). Gerade in Staaten mit vielen verschiedenen Volksgruppen stellt die europäische Sprache eine gemeinsame Basis für das ganze Land her, ist beispielsweise neben der lokalen Mehrheitssprache Schulsprache (in den afrikanischen Ländern häufig anzutreffen z.B. im Kongo oder in Namibia). Meist erfüllen diese Kolonialsprachen nicht die Bedingungen der Sprachinseln. Eine wichtige und bekannte Ausnahme stellt die deutsche Sprachinsel in Namibia dar.

Die zahlreichen Sprachinseln, die sehr klein sein können, haben es in der heutigen globalen Welt schwerer denn je, ihre Sprache und Kultur zu bewahren. Sie sind einem starken Assimilationsdrang, von Seiten des Landes, in dem sie leben, oder einer größeren Sprachgemeinschaft ausgesetzt. Das betraf beispielsweise eine kleine sorbische Sprachinsel in Australien Mitte des 19. Jahrhunderts, die diesen Assimilationsdrang zu spüren bekam. Aufgrund fehlender Englischkenntnisse schlossen sich die Sorben der größeren und dadurch wirtschaftlich stärkeren deutschen Gemeinschaft an. Da die Sorben zu dieser Zeit schon meist zweisprachig aufgewachsen waren, bereitete ihnen das Zusammenleben mit deutschen Sprechern keinerlei Probleme und so passten sie sich in Australien innerhalb von zwei Generationen komplett an die deutsche Gemeinschaft an.

Die Abschottung, die früher möglich war, ist heute kaum noch 100%ig zu bewahren. Vor allem wirtschaftliche Gründe zwingen die Gemeinschaften sich zu öffnen. Man betreibt Handel, nutzt Bildungseinrichtungen und medizinische Versorgung usw. In den Schulen wird meist kein Unterricht in der Sprache der „Inselkinder“ gegeben, also sind die Schüler gezwungen neben ihrer Muttersprache auch die Schulsprache zu lernen.

Nun wird gerne argumentiert, dass Mehrsprachigkeit ein Vorteil für alle ist. Allgemein ist das natürlich richtig, aber konzentriert man sich nur auf den Punkt der Sprachinselerhaltung, wird man einsehen müssen, dass die Vermischung der Sprachen und Kulturen immer zu Lasten der kleineren und wirtschaftlich schwächeren Sprache geht. Sollten Jugendliche nach der Schulzeit ihre Sprachinsel verlassen (Ausbildung, Heirat etc.) werden sie im Laufe der Zeit weniger Kontakt mit ihrer Muttersprache haben und sie weniger nutzen. Schlussfolgernd stellen die Sprecher auch die Weitergabe der Sprache an die nächste Generation in Frage. Das kann man bei kleinen Sprachinseln in Europa gut veranschaulichen. Die meisten Mitglieder von Sprachinseln assimilieren nach und nach und integrieren sich vollständig in die Kultur. Ihre Herkunftssprache geht verloren. Das ist ein Verlust an kulturellem Gut!

Auch aus linguistischer Sicht zu bedauern, denn die Sprachinseln haben durch ihre Isolation von Kernsprachgebiet oft eine ursprüngliche Form der Sprache bewahrt. Das sieht man sehr gut in den Gemeinschaften der Amisch und Hutterer in den USA, deren Deutsch im Vergleich zum heutigen „europäischen“ Deutsch antik oder altmodisch wirkt. Aber auch andere Gemeinschaften zeigen interessante Phänomene: Entlehnungen der Lexik aus anderen Sprachen durch Sprachkontakt, Entstehung von Pidginformen und fehlende Verschriftlichung der sprachlichen Eigenheiten.

Man sieht also das große Potenzial, dass die Forschung vor sich hat!

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