Rovásírás – altungarische Runen

Das heutige Ungarisch wird seit dem frühen Mittelalter in lateinischer Schrift geschrieben, doch vorher verwendeten die Menschen eine eigene Schrift: Rovásírás – dt. Runenschrift.

Ihre Herkunft ist nicht sicher geklärt. Eine Annahme ist, dass die Schrift mit anderen Runen aus dem türkischen Raum verwandt sind oder eine Abwandlung der phönizischen Schrift darstellt. Eine Verwandtschaft mit den Runen aus dem germanischen Kulturkreis wird ausgeschlossen.

Auch eine genau Entstehungszeit ist schwierig zu bestimmen. Wenn man von der Verwandtschaft mit alten türkischen Schriften ausgeht, könnte ein Entstehungszeitraum um 7. Jahrhundert n.Chr. ausgegangen werden. Historisch wurden Kontakte der damaligen Sprechergemeinschaft des Alt- bzw. Protoungarischen mit Turkvölkern belegt, die für diesen Zeitraum sprechen.   

Rovásírás ist eine Alphabetschrift, jedoch wird sie wie Phönizisch oder Hebräisch von rechts nach links geschrieben. Die Ähnlichkeit der meisten Zeichen mit einer türkischen Schrift lässt sich gut nachweisen. Einige Zeichen müssen jedoch entweder neu hinzugekommen oder aus anderen Schriften entlehnt worden sein, denn einzelne Laute des Altungarischen kommen in Turksprachen nicht vor und wurden dementsprechend auch nicht von ihnen verschriftlicht. Vermutungen, dass es Anteile aus dem griechischen Alphabet gibt, liegen nahe.

Insgesamt besitzt das ursprüngliche Alphabet 42 Buchstaben, wobei einige Konsonanten zwei Zeichen besitzen, in Abhängigkeit des benachbarten Vokals. Es gibt keine separaten Buchstaben für Groß- und Kleinschreibung, aber vor allem bei Namen wurde der erste Buchstabe einfach größer geschrieben. Die Schreibung ist meist phonetisch, bildet also die tatsächliche Aussprache ab.

Das heutige Ungarn ist nur ein kleiner Teil des Verbreitungsgebietes der Runen. Inschriften aus unterschiedlichen Jahrhunderten auf Gegenständen wurden rund um die Karpaten, das Gebiet der heutigen Ukraine und noch weiter östlich gefunden. Eine erste Erwähnung der Schrift findet man in der Chronik von Simon von Kéza, die aus dem 13. Jahrhundert stammt.

Während die lateinische Schrift sich ab ca. 1000 n.Chr. als offizielle Schrift genutzt wurde, verwendete man die Rovásírás im Alltag und in der Folklore. Es sind Inschriften bis ins 19. Jahrhundert belegt, durchaus auch religiöse texte wie z.B. das Vater Unser.

Die Forschung hat die Runenschrift erst seit kurzem wieder als Forschungsgegenstand entdeckt. Seit einigen Jahren ist die Runenschrift in Ungarn wieder populärer geworden (ähnlich wie die germanischen Runen) und man sieht sie an öffentlichen Plätzen oder Schildern. Die Schrift verschriftlicht heute das modern Ungarisch, beibehalten wird aber die Schreibrichtung wie früher. Durch Sprachwandelprozesse hat sich das Ungarische stark verändert und so musste bspw. Runen für die typischen Vokallängen in Ungarischen angepasst werden. Kritiker sehen in der Anpassung der Schrift einen Eingriff in die Authentizität.

Quelle

Altheim, Franz. Geschichte der Hunnen. Berlin, de Gruyter

Rockstein, Edward. The Mystery of the Székely Runes. Epigraphic Society Occasional Papers, 1990

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