Die georgische Schrift

Wer schon mal in Georgien war, hat sicher die ungewöhnliche Schrift bemerkt. Georgisch ist eine Sprache aus der Gruppe der südkaukasischen Sprachen und besitzt eine der wenigen isolierten Alphabetschriften in Europa (kulturell wird der Kaukasus oft zu Europa gezählt, geografisch zu Asien).

Historisch gesehen ist die georgische Schrift eine der ältesten weltweit, genutzt etwa seit der Mitte des 5. Jahrhunderts. Wie alle Schriften hat sie sich im Laufe der Zeit stark verändert. Heute existieren zwei Schriftenvarianten für religiöse Texte (Assomtawruli und Nusschuri) und eine für weltliche Texte (Mchedruli). Die jüngere Variante, die Mchedruli-Schrift, ist seit dem 13. Jahrhundert dokumentiert.

Die frühesten Zeugnisse der georgischen Schrift wurden interessanterweise nicht auf georgischem Gebiet gefunden, sondern in Klöstern in Palästina.

Geschrieben wird diese Schrift generell von links nach rechts wie in Europa üblich, anders als z.B. Hebräisch. Jeder Buchstabe steht für einen Laut, d.h. es ist eine phonetische Schrift. Insgesamt gibt es 33 Buchstaben. Ursprünglich waren es mehr, doch nach einer Schriftreform im 19. Jahrhundert wurden 5 Buchstaben entfernt, da sie in der neu-georgischen Sprache nicht mehr gebraucht wurden. Außerdem gibt es in verwandten Sprachen wie Swanisch oder Lasisch, die die georgische Schrift nutzen, zusätzliche Buchstaben, weil sonst nicht alle Laute repräsentiert wären.

Jeder Buchstabe hat einen Namen, ähnlich wie wir es auch in der hebräischen Schrift kennen. Die Reihenfolge innerhalb des Alphabetes erinnert stark ans Griechische. Im Gegensatz zu Schriften, die sich aus dem griechischen Alphabet entwickelt haben z.B. die gotische oder kyrillische Schrift, ist die georgische Schrift keine Abwandlung der griechischen. Dafür sprechen vor allem die Unterschiede in der grafischen Gestaltung der Buchstaben. Die Eigenschaften der georgischen Schrift weisen jedoch auf den griechischen Einflüsse hin z.B. die Reihenfolge der Buchstaben.

Wer die Schrift entwickelt hat, ist nicht geklärt. Manche halten den armenischen Heiligen Mesrop Maschtoz, der das armenische Alphabet entwickelt hat, für den Schöpfer. Doch diese These ist bislang noch nicht bewiesen worden. Die bloße Nähe zu Armenien reicht da bei Weitem nicht aus und die Unterschiede zwischen den Schriften sind augenscheinlich. Heute wird diese Theorie allgemein als falsch angesehen.

Die drei Varianten der georgischen Schrift Assomtawruli, Nuschuri und Mchedruli sind chronologisch nacheinander entstanden. Interessant ist, dass der jeweilige Vorgänger erhalten blieb und weiterverwendet wurde. Das ist bei Schriften eher unüblich. Die Nutzung der ‚alten‘ Schriften verschob sich im Laufe der Zeit zu den kirchlichen Texten, während sich Mchedruli als Schrift für weltliche Literatur und Medien durchsetzte. 

Assomtawruli ist die älteste Schriftform und bis zum 9. Jahrhundert die einzige. Die immer gleich hohen Buchstaben bestehen aus geometrischen Elementen wie Linien, Kreise und Halbkreise, die im rechten Winkel verbunden werden. Diese exakte geometrischen Anordnung ist ein Indiz auf eine eigenständige Schrift, denn anderen Schriften fehlt das Charakteristikum der Geometrie. Mit dem Aufkommen von Nuschuri wurden immer weniger Texte in Assomtawruli geschrieben bzw. kopiert.

Nuschuri entstand im 9. Jahrhundert und wurde in Manuskripten vermehrt verwendet. Diese Schriftvariante ist einfacher zu lesen, daher die Beliebtheit in Manuskripten. Die Buchstaben variieren in ihrer Höhe und sind durch die leichte Neigung einfacher zu schreiben. Noch heute verwendet die georgische Kirche diese Schrift.

Mchedruli ist die letzte Stufe in der Entwicklung der georgischen Schrift. Sie ist im Vergleich zu Nuschuri nochmals vereinfacht. Belegt in Urkunden und Inschriften ist sie seit dem 10. Jahrhundert. Abermals siegte die neue Variante wegen ihrer schnelleren Schreibarkeit und leichterer Lesbarkeit.  Mchedruli ist heute die verbreitete Schrift im öffentlichen Leben, in den Medien und der Literatur.

Nur Mchedruli lesen und schreiben zu können, reicht nicht aus, um die Vorgänger Assomtawruli und Nuschuri zu verstehen. Doch der phonetische Charakter des Alphabetes erleichtert den Erwerb des Lesens und Schreibens. Die Einzigartigkeit der Schrift inspiriert Künstler und wird mittlerweile auch für touristische Zwecke genutzt.

Quellen

Bokhashvili, Marine. Einführung in die georgische Schrift. Buske, Hamburg 2007

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift.  C.H. Beck Wissen, München 2002

Bildquelle

Von Deu – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=104782273

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