
Jede Person, die heute Englisch schreiben lernt, egal ob als Erst- oder Fremdsprache, fragt sich ständig: Warum schreibt man dieses oder jenes Wort so? Die heutige Schreibung des Englischen hat wenig mit der tatsächliche Aussprache zu tun. Und obwohl diese Diskrepanz fast allen bewusst ist, gibt es keine großen Bemühungen die englische Rechtschreibung zu reformieren. Dass das nicht immer so war und sich Menschen durchaus Verbesserungen initiieren wollten, zeigt ein interessantes Beispiel aus den USA: das Deseret-Alphabet.
Die beiden Entwickler, Parley Pratt und George Watt, gehörten den Mormonen an und schufen die Schrift von 1847 bis 1854 als eine Art Reform , die eine Transformation für die Gesellschaft bedeuten würde. Das Ziel war die Verbreitung des neuen Alphabetes anstelle des lateinschen. Abgesehen von ihrer religiösen Überzeugung stellt das Alphabet eine durchaus gelungene phonetische Schreibung des Englischen dar.
Doch die Entwickler dachten schon weiter und planten die Schrift auch für andere Sprachen, woraus allerdings nichts wurde.
Die Planung für die Schaffung des Alphabets erforderte nicht nur kreative Köpfe, sondern auch große finanzielle Mittel, damit sofort mit dem Druck von Bibeltexten usw. begonnen werden konnte. Das große Netzwerk der Mormonen ermöglichte schon zu Beginn des Projekts starke Finanzmittel.
Das Deseret – Alphabet besitzt Groß- und Kleinbuchstaben, wobei der Unterschied nicht die Form, sondern ausschließlich die Größe ist. Es gibt insgesamt 40 Buchstaben, mehr als im Standardenglischen, weil vor allem mehr Vokalzeichen nötig waren.
Die Kosten für den Druck neuer Bücher und Zeitungen war einer der Hauptgründe dafür, dass das Alphabet kaum Verbreitung über die Mormonengemeinschaft hinaus fand.
Heutige Linguisten haben trotzdem ein großes Interesse an gedruckten Werken, vor allem an allem was keine direkten Übersetzungen sind. Diese Ausgaben geben einen sonst unmöglichen Einblick an die gesprochene Sprache dieser Zeit, auch wenn es regional begrenzt ist. Andere Schriftquellen, in englischer Standardrechtschreibung, können keine Aussagen über phonetische Besonderheiten des damaligen Englisch liefern. Wäre die Schrift in den ganzen Staaten verbreitet gewesen, ergäbe sich für die Dialektforschung in den USA ein unvorstellbarer Datenschatz.
Interessanteweise haben in den letzten Jahrzehnten wieder mehr Menschen Gefallen am Deseret – Alphabet gefunden. Es gibt mittlerweile auch Klassiker z.B. von Jane Austen oder Mark Twain in diesem Alphabet. Es ist nicht nur eine interessante Art zu lesen, sondern trainiert auch die Lese- und Verständnisfähigkeit, ähnlich wie das Lesen in einer Fremdsprache. Und auch wenn die Schrift nicht verbreitet ist, würden sich doch viele Kinder beim Leseerwerb des Englischen leichter tun.
Quellen
Walker, Neil Alexander. A Complete Guide to Reading and Writing the Deseret Alphabet. 2005
Wintersteen, Larry Ray. A History of the Deseret Alphabet. 1970