Nach fast 15 Jahren als Physiotherapeutin habe ich mich 2019 entschieden zu studieren. Meine Fächer waren ‚Slawische Sprachen und Literaturen‘ und ‚Germanistische Linguistik‘. Ehrlich gesagt, war ich zu Beginn etwas blauäugig. Ich dachte so neben der Arbeit und meiner Familie studiert es sich leicht.
Schon das erste Semester an der Humboldt- Universität zu Berlin verlangte mir ein hohes Maß an Disziplin und gutem Zeitmanagement ab. Ich hatte mir so viele Veranstaltungen eingeplant wie der ‚ideale Studienverlaufsplan‘ es halt vorschrieb. Das bedeutete 20 Stunden in der Uni plus die Vor- und Nachbereitungszeit, die ich nicht wirklich beachtet hatte. Die erste Woche verbrachte ich mit der Suche nach Räumen in verschiedenen Gebäuden und Vorstellungsrunden in Seminaren. Wie ich heute weiß, ist es durchaus üblich erst in der zweiten oder dritten Woche in die Veranstaltungen zugehen, macht man als Ersti aber selten. Man könnte ja was verpassen!
Die ersten Prüfungen am Semesterende (Februar 2020) liefen gut, doch es schwebte schon die Pandemie über uns. Die Prüfungen im April wurden im März abgesagt bzw. verschoben. Die nächsten Semester liefen online. Für mich war das ein Vorteil, denn da die Schulen ebenfalls geschlossen waren, konnte ich mich auch um meine Kinder im Homeschooling kümmern. Wir wurden in der Zeit Fachleute für Online-Unterricht und Online-Prüfungen.
Als die Uni nach fast zwei Jahren wieder ihre Türen öffnete und wir, unter Auflagen wie Masken- und Testpflicht, in den Präsenzunterricht kommen durften, war das wie ein Neustart. Wir hatten uns verändert, die Uni hatte sich verändert. Ich genoss das Zusammentreffen mit anderen Studierenden und den Austausch. Auch die Prüfungen waren wieder in Präsenz, was ich viel besser finde als über Zoom.
Die Pandemie hat mich im Studium kaum ausgebremst, das ist nicht für viele so gewesen. Der Spagat zwischen Uni, Arbeit und Kinderbetreuung ist für mich gut plan- und umsetzbar gewesen. Trotzdem habe ich bis zum Abschluss zwei Semester mehr gebraucht, was einfach daran lag, dass ich mir zum Ende selber weniger Stress gemacht habe als in den ersten Semestern. Als Ersti dachte ich noch, dass das Studium in sechs Semestern zu schaffen sein müsste. Was ich nicht bedacht habe, war die Arbeit dahinter. Jetzt sehe ich die Sache gelassener. Ich hatte keinen Druck das Studium schnell beenden zu müssen, weder von Seiten meiner Familie noch von irgendwelchen Ämtern z.B. das Bafög-Amt.
Nach der Pandemie habe ich mich mehr bei Studentenverbindungen engagiert, was mir bis heute viel Spaß macht, und mir zeigt, was das Unileben eigentlich bedeutet. Wir sollten nicht nur in den Veranstaltungen sein und Fachkenntnisse erwerben, sondern auch unsere sozialen Kontakte wieder mehr pflegen.
Nach vier Jahren Bachelorstudium beginne ich jetzt das Masterstudium. Dieser Schritt war mir schon zu Beginn des Bachelorstudiums klar, nachdem ich festgestellt habe, dass das Studium genau das ist, was ich mir vorgestellt habe. Ich mag die Lernatmosphäre an unserem Institut, die persönliche Betreuung und die Möglichkeiten sich selbst einzubringen. Ich nehme mir genug Zeit und genieße sie, denn ein Studium bedeutet nicht nur reines Lernen, sondern auch Erfahrungen sammeln und sich selber weiterentwickeln.