Eliza Orzeszkowa

Eine der wenigen weiblichen Schriftstellerinnen, die es in Polen zu großer Bekanntheit gebracht haben, ist Eliza Orzeszkowa.

Geboren als Elżbieta Pawłowska, am 6. Juni 1841 in Grodno (damals Russisches Kaiserreich, heute Belarus), kennt man Eliza Orzeszkowa als Vertreterin des polnischen Positivismus, dessen Zeitraum sich von 1863-1890 erstreckte. Orzeskowas Kindheit war vom frühen Tod des Vaters überschattet, die Mutter ermöglichte ihr eine standesgemäße Bildung (die Familie gehörte dem Landadel an), sie las viel und schrieb schon in Jugendjahren erste Geschichten. 1852 zog Orzeszkowa nach Warschau, besuchte eine Internatsschule und lernte dort auch Literatur kennen, die von der Russland verboten waren wie die von Adam Mickiewicz.

Mit sechszehn Jahren kehrte sie nach Hause zurück und lernte auf einem Ball den deutlich älteren Piotr Orzeszka kennen, den sie 1858 heiratete. Die ersten Ehejahre verbrachte sie auf dem Gut ihres Mannes in Ludwinów mit gesellschaftlichen Verpflichtungen und viel Lektüre. Orzeszkowa genoss das Landlaben, ganz im Gegensatz zu ihrem Mann. 1862 lebte sie vorübergehend in Warschau, wo sie sich mit politischen und religiösen Fragen auseinandersetzte. Im Januaraufstand 1863 unterstützte sie die Aufständischen. Der Beteiligung ihres Mannes am Aufstand folgte die Verbannung nach Sibirien, während Orzeszkowa in Ludwinów blieb (ein ungewöhnlicher Schritt, denn meist begleiteten die Ehefrauen die Männer in die Verbannung). Die Erlebnisse während des Ausstandes beschrieb sie in der Kurzgeschichte „Gloria victis“ (erst 1910 veröffentlicht). Orzeszkowa verkaufte das Gut und ließ sich 1869 scheiden bzw. der Scheidungsprozess wurde da rechtsgültig. Sie ließ sich dauerhaft in Grodno nieder.

Ihre neu gewonnene Freiheit nutzte sie vor allem zum Schreiben, die Menge der Werke zeigt ihre Produktivität. Einige ihrer Erzählungen und Romane fanden großen Anklang und sind zeitnah in andere Sprachen übersetzt worden. Deren Veröffentlichungen machten Orzeszkowa auch im Ausland bekannt.

1894 heiratete sie erneut, den Juristen Stanisław Nahorski, der sich wie Orzeszkowa für soziale Themen stark machte.  Er starb aber schon im November 1896. Die Schriftstellerin verlor damit eine wichtige Stütze und einen Gleichgesinnten in sozialen und politischen Fragen.

1904 wurde Orzeszkowa für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen, verlor aber gegen Henryk Szienkiewicz, deren Werke als patriotischer angesehen wurden. Vielleicht sind die Themen Orzeszkowas wie Soziales, Frauenrechte etc. noch nicht so akzeptiert worden….

Orzeszkowa starb am 18. Mai 1910 in Grodno. Ihre Beerdigung verzögerte sich einige Zeit, da der Pfarrer der Gemeinde sich weigerte sie zu bestatten. Er warf ihr fehlende religiöse Aktivitäten in der Gemeinde vor, aber der zuständige Bischof schritt ein, sodass sie am 23. Mai ihre letzte Ruhe fand.

Der literarische Nachlass der Schriftstellerin ist immens, ihre Erzählungen und Roman behandeln Themen wie Frauenrechte, Bildung, Politik u.v.m. All ihre Werke auszuschreiben würde den Rahmen sprengen, einige der wichtigsten sind: „Marta“ (1873), „Nad Niemnem“ (1888, dt. „An der Memel“) und „Dziurdziowie“ (1885, dt. „Die Hexe“)

Durch ihre Verbindungen zu den klugen Köpfen ihrer Zeit und den scharfen Beobachtungen der Gesellschaft zeichnet Orzeszkowa ein deutliches Bild aus dem Leben in ihrer Zeit. Ihre eigene Geschichte, gespickt durch Scheidung, selbstständiger und schriftstellerischer Arbeit, fließt in ihre Werke mit ein, ohne dass sie zu autobiographisch sind. Ihre eigene Lebensgeschichte hat Orzeszkowa nie aufgeschrieben. Schon früh hat sie den Wert von Bildung von Mädchen und Frauen erkannt und gefordert, ohne dabei einen radikalen Ton anzuschlagen. Die Gleichstellung von Mann und Frau war ein damals undenkbarer Fakt, der laut Orzeszkowa aber der Schlüssel für einen bessere Gesellschaft darstellte.

Ihr Lebensmittelpunkt in Grodno und ihr Lebensstil mit den Konventionsbrüchen heben Orzeszkowa zeigen den untypischen, aber möglichen Weg von Frauen aus dieser Zeit. Ihre Beobachtungsgabe, ihre Milieubeschreibungen und die stetigen Forderungen nach Bildung für Mädchen und Frauen wirken bis die heutige Zeit nach, ohne zu romantisieren.

Quellen

Jankowski, Edmund. Eliza Orzeszkowa. Państwowy Instytut Wydawniczy, Warszawa 1964

Miłosz, Czesław. Geschichte der polnischen Literatur. Narr Francke Verlag, Tübingen 2013

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