„Es wäre ein anderes Meer, würde es nicht auch das Wasser des Baches Satkula aufnehmen.“
Dieses bekannte Zitat aus Jurij Brězans „Krabat oder die Verwandlung der Welt“ schmückt den Grabstein des bekanntesten sorbischen Schriftstellers des 20. Jahrhunderts. 2006 verlor die sorbische Literatur einen ihrer Größten: Jurij Brězan. Er formte die sorbische Literaturlandschaft des 20. Jahrhunderts stark und setzte sich auch politisch für sie ein.
Jurij Brězan wurde 1916 in Räckelwitz (sorbisch Worklecy), einem Ort in der Oberlausitz geboren. Sein Geburtsname Georg Bresan benutzte er nicht, sondern machte als Erwachsener von seinem Recht Gebrauch nur noch seinen sorbischen Namen zu tragen.
Er besuchte das Gymnasium in Bautzen, begann ein Volkswirtschaftsstudium, das er aber nicht beenden konnte. Ab 1933 war er für die Domowina (der Dachverband der sorbischen Vereine etc.) tätig, schloss sich auch dem Widerstand gegen die Nationalsozialisten an und veröffentlichte unter dem Pseudonym Dušan Šwik. Eine Zeitlang lebte er in Prag, wurde bei seiner Rückkehr 1938 aber verhaftetet und saß bis 1939 in Haft. Wie für viele andere Sorben auch, verhängten die Nazis ein Aufenthaltsverbot für seine Heimat, so dass Brězan nicht dort leben konnte (auch Mina Witkojc erlebte diese Heimatvertreibung). Im zweiten Weltkrieg wurde er in die Wehrmacht eingezogen und kam 1944 in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Krieg arbeitete er wieder bei der Domowina und kümmerte sich intensiv um ihre Jugendarbeit. Als Schriftsteller verdiente er ab 1949 sein Geld und schuf bis ins hohe Alter zahlreiche Romane, Erzählungen und Kinderbücher.
Jurij Brězan war seit 1946 Mitglied der SED, einiger Schriftstellerverbände und der Deutschen Akademie der Künste (ab 1965) in Berlin. In seiner langen Schriftstellerlaufbahn kann Brězan viele Auszeichnungen und Preise sammeln z.B. den Ćišinski-Preis (1962) oder den Karl-Marx-Orden (1974).
Am 12. März 2006 ist Brězan in Kamenz (Kamjenc) gestorben und in Crostwitz (Chrósćicy) beerdigt.
Die Werke Jurij Brězans zeugen von seinem erlebnisreichen Leben und von seiner Verbundenheit mit seiner sorbischen Heimat, der er in Sagen- und Legendenerzählungen ein Denkmal setzt. Vor allem die Geschichte von Krabat hat er in mehreren Werken verarbeitet oder er hat sie vom Sorbischen ins Deutsche übersetzt. Brězan schrieb in Deutsch und Obersorbisch, doch viele Werke sind in zahlreiche Sprachen übersetzt und veröffentlicht worden.
Mit dieser Mischung von alten und neuen Geschichten entstand ein neues Verständnis der Sorben und über die Sorben, die als Minderheit schon immer einen schweren Stand hatten. Die politische Lage in der DDR ermöglichte ihnen zwar die freie Ausübung ihrer Kultur, wurde aber ab den 60er Jahren argwöhnisch von der DDR-Regierung beäugt. Das blieb auch den Künstlern wie Brězan nicht verborgen und er setzte sich verstärkt für das Sorbentum ein.
In der Literaturlandschaft Deutschlands nimmt die ober- und niedersorbische Literatur kaum einen Stellenwert ein. Die zahlenmäßige Überlegenheit des Deutschen macht es schwer, sorbische Künstler ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Doch Künstler wie Jurij Brězan, die u.a. auch auf Deutsch schrieben, finden unter Kritikern immer mehr Beachtung.
Ein weiterer Vorteil der sorbischen Literatur ist auch, dass sie, wenn auf sie auf Sorbisch geschrieben wird, schnell ins Deutsche übersetzt werden kann.
Bekannte Werke von Jurij Brězan sind z.B. „Der Gymnasiast“ (Roman, 1958), der autobiographische Züge trägt, „Die schwarze Mühle“ (Erzählung, 1968) und „Krabat oder Die Verwandlung der Welt“ (Roman, 1976).
Quelle
Dietrich Scholze: Jurij Brězan – Leben und Werk. Domowina-Verlag, Bautzen 2016