Lernende einer Fremdsprache haben alle das gleiche Problem: Man schaut ein unbekanntes Wort im Wörterbuch nach und fragt sich dann „Wie spricht man das Wort eigentlich aus?“. Ich erinnere mich vor allem an meine Englischlehrerin, die immer meinte, dass ich neben dem Wort doch die Lautschrift hätte. Okay, gutes Argument, aber niemand hat mir die komischen Buchstaben und Zeichen der Lautschrift erklärt! Und warum sollte ich eine andere Schrift lernen, um Englisch zu lernen?
Erst im Studium habe ich die Bedeutung hinter den Buchstaben und Zeichen gelernt, Linguistik-Grundkurs sei Dank. Das Zauberwort heißt IPA: Internationales Phonetisches Alphabet!
Das Internationale Phonetische Alphabet beruht auf der Idee jede lautlich gesprochene Sprache lautgetreu aufgeschrieben werden kann. Die Idee an sich ist nicht neu. Schon im 17. Jahrhundert gab es erste Versuche eine Systematisierung von Lauten zu schaffen.
Der Durchbruch gelang dem französischen Linguisten Paul Passy, der Ende des 19. Jahrhundert sein „Internationales Phonetisches Alphabet“ vorstellte.
Theoretisch kann man mit IPA jede Sprache in einer Lautschrift schreiben und lesen, ohne diese Sprache zu beherrschen. Beim Sprachenlernen kann die Lautschrift helfen sich die Aussprache anzueignen, vorausgesetzt man kennt die lautlichen Entsprechungen der Schrift. Außerdem bildet IPA nicht unbedingt die dialektalen Unterschiede der Aussprache ab. Es soll vor allem die Standardaussprache aufzeigen.
Vor allem Sprachen ohne Schrift können so standardisiert notiert werden, vielleicht auch mit dem Ziel eine Schriftsprache zu erarbeiten, wie es beispielsweise Karl Richard Lepsius für Sprachen plante, die in Afrika gesprochen werden.
Durch die sprachenübergreifende Notierung muss man vor allem darauf achten, dass die Zuordnung der IPA-Laut nicht immer mit der orthografischen Schreibung der Zielsprache entspricht, z.B. entspricht das IPA-Zeichen [v] dem deutschen ´w´ in Wind oder `v` in Vase, aber nicht dem `v` in Vogel.
Die Übersicht aller Zeichen mag chaotisch anmuten, folgt aber ganz klar definierten Aspekten. So sind die Konsonanten nach Artikulationsort, Artikulationsart, pulmonal bzw. nicht pulmonal und Stimmhaftigkeit sortiert und die Vokale nach Artikulationsort und Lippenstellung klassifiziert. Es gibt zahlreiche diakritische Zeichen, die beispielsweise eine Palatalisierung, Nasalität oder auch eine Aspiration des Lautes anzeigen.
Die Notierung mit IPA ist sehr komplex, weil alle möglichen Laute abgebildet werden sollen und es keine Unterscheidung der Häufigkeit ihres Auftretens gibt. So sind uns in Europa die Klicklaute fremd, die es in vielen Bantu- und Khoisan-Sprachen in Afrika zu finden sind.
In Lehrbücher wird meist eine vereinfachte IPA-Variante verwendet, um die Lernenden nicht abzuschrecken, d.h. es wird bewusst auf viele diakritische Zeuchen oder Wortakzente verzichtet. Damit gehen zwar, für Linguisten, wichtige Informationen zur Aussprache verloren, aber die Lernenden finden einen leichteren Einstieg in die Lautschrift.
Schwieriger als das Lesen der Lautschrift, ist das Schreiben mit IPA. Es gibt natürliche einige Regeln zu beachten, die jede Sprache mitbringt und Raum für Diskussionen lässt. Am schwierigsten ist die Schreibung, wenn zwei Personen einen Laut transkribieren wollen, also in IPA schreiben, aber unterschiedliche Laute hören.
Welche Schreibweise ist jetzt richtig? Wählt man die Standardaussprache oder berücksichtigt man die dialektalen Unterschiede, z.B. die verschiedenen Aussprachen des `r` im Deutschen? Es gäbe die Auswahl zwischen [r] oder [ʀ] oder [ʁ]. Die Unterschiede zwischen [ʀ] und [ʁ] sind nicht hörbar und da es keine Bedeutungsunterschiede gibt, jedenfalls nicht im Deutschen, transkribiert jeder in sein „Lieblingszeichen“.
Ein großer Vorteil der Lautschrift liegt für alle Linguisten auf der Hand: Es lassen sich phonologische Prozesse in jeder Sprache erkennbar machen, die die eigentliche Orthografie nicht abbildet. Ein bekanntes und in vielen Sprachen vorkommendes Beispiel ist die Auslautverhärtung, die gesprochen, aber nicht geschrieben wird: Kleid →/kla͡ɪd/ → [ kla͡ɪt]. Wir schreiben leider oftmals nicht wie wir sprechen.
IPA basiert hauptsächlich auf dem lateinischen und griechischen Alphabet, die Schreibung erfolgt immer in eckigen Klammer [ ], so dass es nicht zu Verwechslungen kommt. Übersichten aller Laut und Zeichen gibt es frei zugänglich und im Internet gibt es zahlreiche Seiten, auf denen man sich die für uns nicht aussprechbaren Laute anhören kann.
Es lohnt sich ein wenig Zeit in dieses Alphabet zu stecken, wenn man vorhat eine neue Sprache zu lernen. Vor allem wenn diese Sprache Laute besitzt, die wir im Deutschen nicht kennen.
Ich wünschte, ich hätte als Zehnjährige eine Einführung in IPA bekommen, das hätte mir das Vokabeln lernen definitiv erleichtert. Dank IPA weiß ich jetzt, dass die Wörter ´through´ [θru:] oder `sausage` [‘sɒsɪdʒ] so ausgesprochen werden. Besser spät als nie!!!!!