
Unsere Erinnerungen an die erste Klasse sind unterschiedlich ausgeprägt. Doch sicherlich werden sich viele an das Kratzen des Füllers erinnern, das bei den ersten Schreibversuchen entstand. Unsere Hand musste sich ja erst an die komplizierte Aufgabe des Schreibens gewöhnen und wenig später flog der Füller sanft übers Papier.
In der ersten Klasse habe ich viel Mühe gehabt Schreibschrift zu lernen, ich war ungeduldig und schnell frustriert. Aber die Schreibschrift stand nun mal auf dem Lehrplan und unsere Lehrerin war sehr motiviert. Und was vor mir Generationen von Kindern geschafft haben, schaffte ich letztendlich auch!
Schreiben können ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Wir lernen es in der Schule, brauchen es jeden Tag und verlernen es (meist) nie wieder. Doch mit der Zeit ändern sich die Schreibwerkzeuge, von der Feder, Füller, Kuli bis zum digitalen Stift. Heute schreiben viele Menschen eher über eine Tastatur auf dem Handy oder Computer. Da könnten sich die Schulkinder fragen, wozu sie eigentlich mit der Hand schreiben lernen müssen und dann auch noch Schreibschrift.
Bei der Frage ob die Schreibschrift heute noch relevant ist, scheiden sich die Geister. In Schreibschrift schreiben zu können, bedeutet ja nicht nur schreiben an sich. Es geht auch um Koordination und Schreibgeschwindigkeit, die in späteren Klassenstufen wichtig ist, um alle relevanten Informationen mitschreiben zu können. Das Schreiben wird mit der Zeit automatisiert, um während des Schreibens z.B. über die Rechtschreibung nachdenken zu können.
Dabei gibt es verschiedene Schreibschriften, die sich alle paar Jahre auch mal ein wenig verändern. Klassischerweise lernen Schulkinder heute entweder die Schulausgangsschrift oder die Vereinfachte Ausgangsschrift, die sich recht ähnlich sehen. Jedoch lernen sie die Schreibschrift meist erst nach dem Druckschrifterwerb. Der große Unterschied liegt dabei bei den Verbindungselementen zwischen den Buchstaben, die eine Schreibschrift aufweist, eine Druckschrift nicht. Allgemein wird dafür plädiert die Druckschrift als Wegbereiter der Schreibschrift vorher einzuführen. Ob das sinnvoll ist, darüber gibt es nicht wenige Meinungen und auch kontroverse Studien.
Kaum ein Erwachsener schreibt im Alltag wirklich noch Schreibschrift. Wenn man schreiben lernt, entwickelt sich eine sehr individuelle Handschrift, meist eine Mischung aus Druck- und Schreibschrift.
Wenn wir schreiben, nutzen wir viele unterschiedliche Kompetenzen wie die motorische Kontrolle über unsere Hand- und Fingermuskulatur, Hand-Augen-Koordination, Wissen über die Sprache und die Schrift. Was uns als Erwachsene leicht und automatisiert erscheint, ist ein komplexer Vorgang. Das fällt uns aber meist erst auf, wenn wir eine neue Schrift erlernen, z.B. im Fremdsprachenunterricht. Hier müssen wir uns visuell und motorisch an neue Schriftzeichen gewöhnen und erinnern uns vielleicht an die ersten Schuljahre zurück.
Schreibst du viel mit der Hand? In Schreib- oder Druckschrift?
Quellen
Dürscheid, Christa Dürscheid. Einführung in die Schriftlinguistik. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006
Bräuer, Gerd. Schreibend lernen. Grundlagen einer theoretischen und praktischen Sprachpädagogik. Studienverlag, Innsbruck 1998.