Die Ogham-Schrift

Die Sprachen der Britischen Inseln z.B. Englisch oder Gälisch werden heute in lateinischer Schrift geschrieben. Das ist ein Erbe der römischen Besatzung und der mitgebrachten lateinischen Schrift. Doch nicht nur die Römer haben ihre schriftlichen Spuren auf den Britischen Inseln hinterlassen.

Doch neben der lateinischen Schrift existiert noch die Ogham-Schrift, die vor allem in Irland, den westlichen Anteilen Englands und Schottland Verbreitung fand. Sie entstand etwa im 4. Jahrhundert n. Chr., d.h. zu einer Zeit als sich die römische Besetzung Britanniens langsam dem Ende zuneigte. Ob die Entstehung der Ogham-Schrift aufgrund der römischen Besatzung begünstigt wurde, ist unklar. Die stärkste Verbreitung der Schrift berührte kaum das Herrschaftsgebiet der Römer, die sich vor allem in heutigem England und Wales aufhielten. Einige Forscher datieren die Entstehungsgeschichte der Ogham-Schrift auf das erste Jahrhundert v. Chr., aber dafür gibt es keine stichhaltigen Argumente. Wahrscheinlicher ist, dass die Erfinder Elemente des lateinischen oder griechischen Alphabets verwendeten, die sie den phonologischen Merkmalen ihrer Sprache anpassten. Ganz genau kann dies aber nicht mehr geklärt werden.

Die Erfinder der Ogham-Schrift sind unbekannt, aber die irische Sagenwelt schreibt sie dem Fürsten Túatha Dé Danann zu. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht doch eher unwahrscheinlich. Der Name der Schrift könnte eine Ableitung des Götternamens Ogmios sein, also des irischen Gottes der Redekunst.

Die Schrift bestand ursprünglich aus zwanzig Buchstaben, den feda. Später kamen Zusatzzeichen hin, die forfeda (die Buchstabenreihe rechts im Bild). Die Zusatzzeichen sind lautliche Ergänzungen, da sich die irische Sprache in der Zeit der Verwendung veränderte und die Schrift angepasst werden musste. Ein großer Vorteil dieser Ergänzungszeichen ist, dass Linguist*innen daran Lautwandelprozesse verfolgen und zeitlich klassifizieren können. Das ist bei den wenigsten Schriften der Fall.

Die Buchstaben werden in Fünfergruppen eingeteilt und tragen Namen, wie man es häufig z.B. im hebräischen Alphabet findet. Alle Buchstaben sortieren sich an einer Linie entlang und werden von unten nach oben geschrieben und auch gelesen. Die Ähnlichkeit der Zeichen lässt jedoch die Wahrscheinlichkeit für Fehler in der Schreibung erahnen, vor allem weil es keine Worttrennung gibt.

Anders als die Römer oder Griechen schrieb bzw. meißelte man die Ogham-Schrift meist in Steine, ähnlich wie die Runen. Die meisten Steininschriften waren dem Wetter ausgesetzt, daher fehlen häufig an den Rändern der Steine einzelne Buchstaben, was das Verständnis und die Entschlüsselung stark erschwert. Es wird vermutet, dass die Menschen die Schrift auch in Holz ritzten, doch es sind keine Funde dokumentiert, da Holz nicht so beständig wie Stein ist. Auch kleine Funde z.B. auf Glas gibt es, sie sind aber Raritäten.

Die ‚Texte‘ auf den Steinen bilden verschiedene Themen ab. Es können magische Sprüche oder Flüche o.ä. sein, aber auch weltliche Dinge wie Kaufverträge, Besitzurkunden oder Grabsteine. Die irische Mythologie ist reich an Heldensagen und Geschichten von übernatürlichen Wesen, von denen oft die Namen der Wesen oder Personen verschriftlicht wurden.

Klassischerweise war die Sprache der Ogham-Schrift eine Sprachstufe vor dem Altirische, dass etwa ab 600 n. Chr. gesprochen wurde. In den Gebieten, wo durch die Römer auch die lateinische Schrift verwendet wurde, findet man häufig zweisprachige Inschriften, meist in einer jüngeren Sprachstufe des Irischen. Diese Funde erleichterten das Entschlüsseln der Schrift ungemein.

Gelegentlich wurde auf den Steinen die Ogham-Schrift mit Runen kombiniert. Das kann ein Hinweis für das Aufeinandertreffen von Nordeuropäern und Bewohnern der britischen Inseln. Auch christliche Kreuze finden sich mancherorts, was auf die Anwesenheit von Missionaren oder schon christlichen Bewohnern hinweisen kann. In späteren Jahrhunderten entstanden auch Manuskripte, die in Oghma-Schrift geschrieben wurden. Sie sind gute Quellen für längere Texte zur Analyse von Syntax und Morphologie des Altirischen, denn es fanden zahlreiche Veränderungen statt z.B. in der Silbenstruktur.

Heute nutzen viele Fans alter irischer Mythen und Geschichten die Schrift wieder u.a. für Segenssprüche oder in Logos für Alltagsdinge wie Bekleidung oder Tassen. Die Begeisterung für die heidnischen Kulturen in Irland und Europa nimmt immer mehr zu und damit auch das Wissen um die Ogham-Schrift.

Quellen

Haarmann, Harald. Geschichte der Schrift. C.H.Beck, München 2002

Ziegler, Sabine. Die Sprache der altirischen Ogam-Inschriften (= Historische Sprachforschung. Ergänzungsheft. 36). Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1994

Bildquelle

Von Runologe – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=97194363

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