Runen – Die Schrift der Germanen

Wie die heute verbreiteten Alphabete in Europa sind Runen eine Form der Buchstabenschrift, die im Vergleich zum Griechischen und lateinischen Alphabet als jung gilt. Die ältesten Funde stammen aus dem 2. Jahrhundert nach Christus.

Das Wort ‚Rune‘ kommt aus dem Altnordischen ‘rún’- ‘Schriftzeichen’ und kam im 17. Jahrhundert, durch die Beschäftigung mit der germanischen Geschichte und Literatur, in Benutzung. Woher die Runenschrift der Germanen jedoch stammt, kann bis heute nicht eindeutig beantwortet werden.

Einigkeit besteht darin, dass die Runen-Schrift keine isoliert entstandene Schrift ist. Die Germanen verwendeten in ihrem Alltag keine Schrift. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sie die Runen aus norditalienischen, lateinischen oder griechischen Alphabeten abgeleitet haben, die sie durch Kontakt zu Schreibkundigen aus dem Süden Europas kennen lernten.

Die Germanen haben die Runen dann angepasst und verwendeten sie vor allem auf Steinen, Hölzern und Gefäßen. Allgemein akzeptiert ist die Theorie, dass Runen nicht als Schrift für die alltäglichen Kommunikation genutzt wurden. Dafür fehlen erstens Funde, die das widerlegen und zweitens weist die Ausrichtung der Runen (meist senkrecht und eckige Formen) darauf hin, dass sie vor allem mit Werkzeug in Holz, Metall oder Stein geritzt wurde. Schriften, die auf papierähnlichen Materialien geschrieben werden, weisen andere Schreibrichtungen und Formen auf. Funde von Steinen u.ä. weisen eher auf die Verwendung der Runen als religiöse Symbole z.B. zu Ehren von Verstorbenen oder zur Beschreibung von Mythen und Legenden.

Funde mit Runen finden sich in am häufigsten im südskandinavischen und dänischen Raum, aber auch im heutigen Deutschland, Tschechien (v.a. in Böhmen) und Polen, besonders entlang der großen Flüsse, was vor allem Handelsbeziehungen nahelegt. Doch die Ausdehnung der Runen reicht noch weiter: Im Westen bis Irland und im Osten bis zur Dnjeprmündung (Schwarzes Meer).

Die schrittweise erfolgte Christianisierung Europas bedeutete das langsame Aus für die Runen, vor allem außerhalb Skandinaviens. Innerhalb Skandinaviens hielt sich die Verwendung der Runenschrift bis etwa ins 15. Jahrhundert.

Die Verwendung der Runen hat sich im Laufe ihres Entstehungszeitraumes gewandelt bzw. kann man von verschiedenen Formen der Runenschrift sprechen. In den Gebieten Südskandinaviens und Dänemarks fanden man vor allem Beispiele der älteren Form: das ältere Futhark (fuþark). Es besteht aus 24 Zeichen und ist (ähnlich wie das Alphabet) nach den ersten 6 Buchstaben benannt. Es ist eine phonetische Schrift, d.h. jeder Buchstabe steht für einen Laut. Allgemein schrieb man rechtsläufig, die Schreibrichtung war allerdings nicht streng festgelegt.

Anders als im lateinischen Alphabet, besitzt jeder Buchstabe noch einen Namen, beispielsweise die Rune ᛞ, die dem Laut d entspricht und ‚dagaz‘ – Tag heißt.

Bis ins 7. Jahrhundert entstand eine abgewandelte Form des alten Futharks, das sogenannte jüngere Futhark. Dabei handelt es sich um lautliche Veränderungen z.B. entwickelten sich neue Laute, während andere verschwanden. Das Inventar an Buchstaben reduzierte sich auf 16 Runen. Diese Form erhielt sich länger als das alte Futhark, trotz der Einführung der lateinischen Schrift durch die Christianisierung und wurde bis zum 19. Jahrhundert genutzt.

Zusätzlich gab es im friesischen und angelsächsischen Raum noch das fuþorc, das sich wiederum etwas vom Futhark unterschied und bis etwa zum Jahr 1000 in Gebrauch war. Das Interesse an Runen etc. erlebte zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Renaissance, wenn auch mehr auf esoterischer Ebene. Diesem und auch wissenschaftlichen Interesse ist es zu verdanken, dass das Wissen um die Runen nicht verloren ging. Auch in jüngerer Geschichte nutzten zahlreiche Strömungen, nicht zuletzt die Nationalsozialisten, Runen und die dazugehörenden Geschichten für ihre Zwecke aus, um ihre Ideologie zu untermauern.

Die Anzahl der Fundstücke mit erhaltenen Runen aus verschiedenen Zeitabschnitten variiert je nachdem welche Form man betrachtet. Die meisten Funde stammen aus dem skandinavischen Raum (Jütland scheint ein Zentrum zu sein), doch viele Inschriften etc. sind kurz, enthalten nur einzelne Namen, so dass sie nur bedingt mehr Informationen preisgeben können.

Abgesehen von der Möglichkeit Runen als reines Kommunikationsmittel zu nutzen, gibt es noch die „Nutzung“ der Runen als Träger von Magie. Mit unter verbargen sich darin Zauber- und Beschwörungsformeln, die vor allem im nordgermanischen Raum verbreitet waren. Der Edda zufolge, war Odin bereit sich zu opfern, um das Wissen über die heiligen Runen zu erlangen.

Eine bekannte Runeninschrift ist beispielsweise der Codex Runicus, ein Gesetzestext aus dem 13. Jahrhundert, der trotz vorherrschender lateinischer Schrift, in Runenschrift geschrieben wurde.  Die Goldhörner von Gallehus sind ein Beispiel für die Verbindung von Kunst und Alltag. Datiert wurden sie auf das 4. Jahrhundert nach Christus. Sie sind verziert mit Tieren und alten Runen. Neben Tieren und Runen befinden sich noch Zahlen und Symbole auf den Hörnern, die bis heute noch nicht vollständig entschlüsselt wurden. Die Originalhörner wurden 1802 gestohlen und eingeschmolzen, heute existieren Nachbildungen, die auf der Grundlage von Zeichnungen angefertigt wurden.

Etliche Steine mit Inschriften fand man überall in Skandinaviern und sogar im deutschsprachigen Raum, wenn auch nur vereinzelt. Nicht immer sind die Inschriften komplett entschlüsselt, neben Runen nutzen die Erschaffer auch Zeichen, die wohl nicht direkt zum Runenalphabet gehören.

Die Faszination und das Interesse an Runen und den Geschichten hinter ihrer Entstehung, ihre mythischen Eigenschaften und ihre Entschlüsselung wird die Wissenshaft noch einiges an Zeit kosten.

Quellen:

Düwel, Klaus. Runenkunde, 4. Aufl. Metzler, Stuttgart 2008

Nedoma, Robert. Runenschrift und Runeninschriften – eine kurze Einführung, Miscellanea septentrionalia 2, Wien 2007

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