Serbski Kral – der Wendenkönig

Die Lausitz war schon früh, etwa ab dem 6. Jahrhundert, von westslawischen Stämmen besiedelt. Ihre Namen u.a. Milzener oder Lusitzi, kennt man nur aus Chroniken anderer Völker wie den Franken, weil die Slawen noch nicht über eine eigenen Schrift verfügten. Diese Stämme bildeten keine Einheit im Sinne eines Herrschaftsgebietes. Ein Fakt jedoch einte sie: der Kampf gegen die Missionierung ab dem 7. Jahrhundert. Doch im 9. Jahrhundert drang das Christentum in weite Teile des slawischen Siedlungsgebietes, auch in die Lausitz.

Die Menschen in der Lausitz erzählen sich bis heute die Geschichten vom Serbski Kral – dem Wendenkönig, der angeblich im Hochmittelalter lebte und sein Land gegen deutschstämmige Heere verteidigen musste. Laut der Überlieferung aus der Chronik des Fredegars im 7. Jahrhunderts war der Wendenkönig ein fränkischer Kaufmann namens Samo, der von den Wenden im 7. Jahrhundert zum König bestimmt wurde. Andere Sagen berichten von den Königen Miliduch und Přibislaw. Nach den Kämpfen um die Gebiete der Lausitz, gelangte der Titel ‚König der Wenden‘ in den Besitz der Dänen, die ihn aber im 20. Jahrhundert ablegten. Er war ein rein historischer Titel ohne Besitz o.ä.

Doch warum lebt die Legende des Wendenkönigs so intensiv in der Sagenwelt der Sorben weiter?

Der Wendenkönig wird verschieden dargestellt. In den meisten Erzählungen ist der Wendekönig ein älterer Mann, gut gekleidet und oftmals zu Pferd. Er besaß ein Schloss in der Nähe der Stadt Burg in der Lausitz. Der Wendenkönig kämpfte mit seinen Gefolgsleuten ständig gegen fremde Heere, die sich seines Gebietes bemächtigen wollten, vor allem gegen Deutsche.  Die Übermacht der Feinde hätte ihn eigentlich besiegen müssen, doch er konnte sich immer wieder gut verteidigen, wobei ihm dabei angeblich magische Fähigkeiten halfen.

Der Wendenkönig war unverwundbar und konnte sich seine Krieger aus Hafer und gehäckseltem Stroh erschaffen, die wie er unverwundbar waren. Durch diese Fähigkeiten verteidigte er mit seinem Heer sein Reich. Die Tatsache, dass der Serbski Kral unverwundbar war, legt nahe, dass er auch unsterblich sein könnte. Einer Geschichte nach vergrub er nach einer langen Regierungszeit seinen Schatz und verschwand einfach im Nichts. Auch sein Schloss verschwand im Morast des Spreewaldes und niemand hat es je wieder gesehen.

Damit könnte die Geschichte schon zu Ende sein. Die Lausitz gehört schon seit Jahrhunderten zu verschiedenen Reichen wie Sachsen, Preußen oder heute zu Deutschland. Es gibt also kein Reich eines sorbischen oder wendischen Herrschers mehr. Aber Legenden leben bekanntermaßen vom Erzählen der Geschichten. Noch heute erzählen die Leute in der Niederlausitz, dass es einen geheimen König unter den Bewohnern gibt. Er wird von ihnen immer wieder von Neuem aus der Gemeinschaft ausgewählt und alle müssen sich ihm unterordnen. Auch in der Oberlausitz soll es Familien geben, die in der Vergangenheit einen König stellen.

In vielen Erzählungen kommt der Wendenkönig als unchristlicher Herrscher vor: Er soll, um seine Herrschaft zu behalten, einen Pakt mit dem Teufel eingegangen sein. Da ihm der christliche Glaube von den Deutschen aufgezwungen war, er aber immer an seinem alten Glauben festhielt, musste er im Verborgenen leben. Er stahl Kinder von den Deutschen, um sie umzuerziehen. Inwiefern solche Erzählungen auf wahren Gegebenheiten beruhen, ist nicht festzustellen.

Weder die Figur noch die Herrschaft des echten Wendenkönigs ist historisch belegt, aber es zeigt den Wunsch der Sorben/Wenden nach Eigenständigkeit und Nationalstolz. Vor allem die Kluft zwischen den Deutschen und den Sorben kommt in den Geschichten des Wendenkönigs offen zu Tage. Die Sorben haben immer unter der Vorherrschaft der Deutschen gelebt und ihr König gab ihnen Hoffnung auf ein eigenständiges Land.

Doch mittlerweile gehört der Serbski Kral in den Sagenschatz, genauso wie Wódny muž (Wassermann), Plón (der sorbische Drache), die Lutki und viele andere.

Quellen

Haupt, Karl. Sagenbuch der Lausitz. Domowina-Verlag, Bautzen 1991

Kunstmann, Heinrich. Dagobert I. und Samo in der Sage. Zeitschrift für Slavische Philologie, Nr. 2 (1975)

Schneider, Erich (Hrsg.). Sagen der Lausitz. Domowina-Verlag, Bautzen 1982

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