Die Sprache der DDR – zwischen Ideologie und Alltag

Jede Sprache hat ihre Eigenheiten, sei es eine besondere Aussprache oder Wortstellung. Aber unterscheidet sich die selbe Sprache je nach Land, in dem sie gesprochen wird?  Na klar!

Große Unterschiede sehen wir heute noch z.B. in der Schweiz oder Österreich. Aber auch in Deutschland gab es, neben den Dialekten, eine vor allem politisch und ideologisch motivierte Sprache, die es so heute nicht mehr gibt. Im Herbst 1989 vollzog sich ein Wandel, die DDR trat dem Geltungsbereich der BRD bei und damit ging das politische System der DDR unter. In den gut 40 Jahren des Bestehens der DDR hat sich ein weitverzweigtes sozialistisch geprägtes Sprachnetz entwickelt, vor allem in der Verwaltung.

Doch auch in der Alltagssprache setzten sich zahlreiche Neuschöpfungen durch, manche sind sogar noch heute in Gebrauch oder werden bewusst wiederbelebt; Stichwort Ostalgie.

Nun erstmal zurück zu den Anfängen: Die DDR war nach der Staatsgründung 1949 bemüht den Kontrast zum Nazi-Regime zu betonen und auch eine sozialistische Sprache in Abgrenzung zur BRD zu schaffen. Dabei ist es logischerweise nicht möglich die Sprache komplett umzukrempeln, aber Schritt für Schritt kamen Veränderungen in Umlauf. Dass nicht alle DDR-Bürger damit einverstanden waren, kann man sich vorstellen. Und ich möchte betonen, dass nicht die komplette Sprache betroffen ist und die Kenntnis der Lebenssituationen beim Interpretieren eine wichtige Rolle spielt!

Um sich der DDR-Sprache zu nähern, muss man unterscheiden welche linguistischen Verfahren verwendet wurden. Die deutsche Sprache allgemein bietet für Wortneuschöpfungen viele Möglichkeiten z.B. die Komposition (aus zwei Wörtern wird eins → Haus + Tür = Haustür) oder die Entlehnung aus anderen Sprachen (finn. Sauna oder ital. Pizza). Aus diesem Schatz der Wortschatzerweiterung haben sich die „Macher der DDR-Sprache“ reichlich bedient.

Wie man sich sicher schon denken kann, ist der Einfluss auf die Sprache innerhalb des Wortschatzes (Lexik) am größten. Das beginnt schon sehr früh in der Verwaltungssprache, die dabei hilft, die politische Neuordnung auch sprachlich in das System einzugliedern. Einige Beispiele wären die Wortschlangen wie nichtsozialistisches Wirtschaftsgebiet oder positive, parteiliche und klassenbewusste Einstellung zur Arbeit.

Begriffe oder Slogans, die im Nationalsozialismus, in der BRD oder in christlichen Kontext verwendet wurden und nicht neu kreiert werden konnten, bekamen einen sozialistischen Anstrich wie Zehn Gebote der sozialistischen Moral und Ethik (Walter Ulbricht, 1958) oder Unsere ganze Kraft für die Erfüllung des 5-Jahrplanes.

Um sich vom Deutsch der BRD abzusetzen, entstanden auch neue Wörter und Phrasen, die heute meist wieder vergessen sind. Einige Beispiele sind: Werte Kollegin statt Sehr geehrte Kollegin, der Aktendulli (eins meiner Lieblingswörter), Spati (ein Bausoldat), Blaue Fliesen (Westgeld), Haushaltstag, Grilletta (Hamburger), Kombinat (ein volkseigener Betrieb), Lipsi (ein Tanz) und Nicki (ein T-Shirt). Es gibt noch viele mehr…..

Oftmals wurde aus dem Russischen einfach ins Deutsche übersetzt, eine einfache Möglichkeit sozialistisch klingende Wörter zu bilden z.B. Datsche (russ. дача) oder Haus der Kultur/Haus des Lehrers usw. Das Prinzip ist seit jeher bekannt, heute eher aus dem englischsprachigen Raum.

Manche Begriffe haben den Untergang der DDR aber überlebt, zumindest im Sprachgebrauch der Menschen. Okay, vielleicht nicht bei jedem, aber u.a. nutze ich Broiler, Muttiheft, Bückware, Datsche, Eingabe, Kaufhalle, Plaste, Subbotnik und Polylux heute noch. Zugegeben, manchmal wird man nicht richtig verstanden, aber was soll‘s.

Doch nicht nur die Sprache an sich wurde in der DDR, wie in allen Ostblockstaaten, instrumentalisiert, sondern auch die Anwendung. Große Paraden zu denen Reden mit sozialistischen Schlagworten gehalten wurden, Schriften, die alle Bürger zu lesen hatten bzw. die in den Schulen als Pflichtlektüre auf dem Lehrplan standen usw. Überall waren die Bürger und Bürgerinnen der Rhetorik der Diktatur ausgesetzt. Diese Rhetorik bezieht sich auf die Gründer und Ideengeber des Kommunismus wie Marx oder Lenin und wird in allen Bereichen miteinbezogen. Sie soll vor allem Stärke und die Überlegenheit des Systems demonstrieren, ähnlich wie die Sprache im Nationalsozialismus oder der Kolonialmächte, die alle auf Legitimation ihrer Herrschaft ausgelegt sind.

Auch in der Literatur finden sich solche Anzeichen. Neben der Zensur und dem Verbot vieler Schriften, vor allem aus dem kapitalistischen Westen, sind Lehrbücher, Zeitschriften u.v.m. unterschwellig, oft eher direkt, immer darauf bedacht die sozialistische Ordnung als Ideal zu beschreiben. Das fängt bei den Lesefibeln in der Grundschule an und hört bei Nachschlagewerken auf, bei denen sich interessanterweise manche Begriffe gar nicht wiederfinden z.B. Weltreise.

Den Mund verbieten ließen sich die Menschen in der DDR aber nicht, so resultierte die Wende auch aus Slogans wie Wir sind das Volk! oder Wir sind ein Volk!. Die Sprache der DDR ging ziemlich sang- und klanglos unter. Erst Anfang der 2000er Jahre kam eine Welle der Ostalgie auf, bei der auch die Sprache vereinzelt wiederbelebt wurde. Prognostisch wird die Verwendung von „Ostwörtern“ in den nächsten Generationen verschwinden. Der Zahn der Zeit nagt an allem, auch am Broiler!

Quellen

Eduard Kurka, Wirksam reden, besser überzeugen: Einführung in die sozialistische Rhetorik. Hrsg. von der Parteihochschule Karl Marx beim ZK der SED. Dietz Verlag, Berlin 1970

Jan Eik, DDR-Deutsch: Eine entschwundene Sprache. Jaron Verlag, Berlin 2010

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