Mina Witkojcs lyrisches Werk

Frühwerk

Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg war Witkojcs produktivste Schaffenphase. Sie traf tschechische und obersorbische Studenten und Schriftsteller, die ihre Liebe zur Sprache und Literatur beflügelten, so dass sie in der Zeit der Weimarer Republik etliche Gedichte schrieb. Der Schwerpunkt der Werke dieser Zeit lag auf dem Erwachen ihres Nationalbewusstseins und den Naturbeschreibungen ihrer Heimat. Aus den Gedichten spricht die Sehnsucht, dass die sorbische Kultur bzw. das sorbische Volk aus dem Schattendasein heraustritt. Damit reiht sich Witkojc in die Reihe der sorbischen Schriftsteller wie Mato Kosyk (1853 – 1940 niedersorbischer Dichter) ein.

Erfurter Exil

1941 wurde ein Aufenthaltsverbot für den Kreis Dresden – Bautzen und Frankfurt (Oder) ausgesprochen und Witkojc 1942 zum Wegzug aus ihrer Heimat gezwungen. Die Jahre bis zum Kriegsende hat Mina Witkojc in ihrem bedeutendsten Gedicht „Erfurter Erinnerungen“ festgehalten. Datiert ist das Werk auf 1945, inwieweit Teile davon schon vorher entstanden, lässt sich nicht sicher nachweisen.

Das 53-strophige Gedicht beginnt mit dem Beginn des Krieges und fängt die Stimmung der Menschen im Kriegsalltag ein. Die Schriftstellerin beschreibt ihren erzwungenen Wegzug aus der Lausitz und die Sorge um ihre Landsleute. Die Ungewissheit zu überleben und ihre Heimat wiederzusehen schwingt mit. Witkojc und das lyrische Subjekt sind in diesem Werk identisch.

Der Bombenterror, die Luftschlacht um England, die Nächte in Luftschutzbunkern, die Toten und Verschütteten: All das skizziert Witkojc in wenigen Strophen, das ganze Elend dicht aneinandergedrängt. Dem Leser werden die grausamen Bilder des Krieges mit starken Ausdrücken, aber in einfachen Worten bildlich gemacht. Das offene Ende mancher Strophen lässt Raum für die Fantasie des Lesers, aber das Ende ist immer deutlich zu spüren.

Nach dem Einmarsch der US-Amerikaner ist Erfurt zwar befriedet, aber die Rückkehrer und die Not lassen die Menschen nicht los. Und dann übernehmen die Sowjets die Stadt (Nach Beschlüssen der Konferenz von Jalta, liegt Erfurt in der Sowjetischen Besatzungszone.). Dieser Machtwechsel wird von Witkojc sehr begrüßt. Man kann davon ausgehen, dass die Sorben hoffen von den Sowjets als Brüder verstanden zu werden und sich mehr Rechte versprachen.

Das Gedicht als einfache chronologische Dokumentation der Ereignisse zu sehen, würde ihm nicht gerecht werden. Es lassen sich viele autobiographische Verweise finden, aber der Großteil der Strophen ist auf einer allgemeinen Ebene verfasst, ohne Bezüge zu bestimmten Personen. Die deutliche pazifistische Haltung der Autorin lässt keinen anderen Schluss zu, dass sie mit ihren Worten kämpft, für die Rechte aller und vor allem der Sorben.

Einerseits gibt das Gedicht einen lebensnahen Einblick in das damalige Leben, die Angst und Unterdrückung, die unterschiedlichen Betrachtungen der Siegermächte. Anderseits spiegelt sich darin auch die Hoffnung an die Nation der Sorben, das Wiederbeleben der sorbischen Kultur, Sprache und Traditionen, so wie sich das zu Zeiten der Weimarer Republik schon anfänglich entwickelt hatte.

Zeit nach Prag

Nach ihrer Rückkehr in die Lausitz 1954 schrieb Witkojc kaum noch neue Gedichte. Sie konzentrierte sich auf Überarbeitungen und Übersetzungen und etablierte sich als geistige Größe. Vor allem junge Leute lasen ihre Werke, sie war ein Vorbild für viele und ein gern gesehener Gast in Schulen zu Vorträgen und Interviews im Radio.

Fazit der künstlerischen Arbeit Witkojcs

Witkojc agierte als Befreierin ihres Volkes. Diese Wiederbelebung ist in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg eine sehr vielversprechende. Die heranwachsende Generation spricht wieder mehr sorbisch, liest die Literatur Witkojcs, Kosyks und anderer mit wachsender Begeisterung.

Auch in der jetzigen Zeit verlieren die Gedichte Witkojcs nicht an Aktualität und lesen sich, auch für Menschen ohne sorbischen Hintergrund, gut und verständlich. Die beschriebenen Schönheiten des Spreewaldes, der Wasserstraßen, Bäume, Wiesen und Auen laden während des Lesens auf eine Fantasiereise durch den Spreewald ein.

Einzig die starken Metaphern z.B. Tod oder Winter des sorbischen Volkes, bedürfen der Kenntnis der sorbischen Geschichte, um die Botschaft hinter ihnen zu verstehen.

Die Schlichtheit der Gedichte, in Form, Reimen und Stilistik bilden einen Kontrast zu den Botschaften des Inhaltes. Manche Gedichte erscheinen monoton, ähnlich wie Kirchen- oder Volkslieder, es gibt selten Ausnahmen in der Form der Gedichte. Aber gerade diese Schlichtheit lässt Raum für den Inhalt der Texte. Durch ihre Zeitlosigkeit und Verständlichkeit sprechen die Gedichte alle Altersstufen und Gesellschaftsschichten an.

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